Der Fluch Der Bösen Tat
gestorben. Das Vikariat war ein privates Haus geworden, in dem Muriel Scott mit ihrem Hund Roger wohnte, damals ein ungestümer Welpe, von dem seine Herrin jedem unbekümmert versicherte, dass er schon ruhiger werden würde, sobald er erst älter war. Wäre es doch nur so gewesen! Das Alter schien – in Rogers Fall – den Verlust jeglicher hündischen Vernunft zu bewirken, die das Tier je besessen hatte. Die Lower Stovey Church Primary stand dicht vor der Schließung. Irgendwie war Dilys’ Auftauchen auf ihrer Türschwelle an jenem ersten Morgen alles andere als unwillkommen gewesen, beinahe ein Trost. Wenigstens etwas hatte sich nicht geändert. Wahrscheinlich sogar überhaupt nicht. Ruth fragte sich manchmal, ob Dilys sie insgeheim immer noch verachtete.
KAPITEL 5
DAVE PEARCE stand vor dem Badezimmerspiegel, den Mund so weit geöffnet, wie es physisch möglich war, und vollführte eine Serie von Grimassen in dem Bemühen, die eigenen Zähne zu inspizieren. Der Spiegel hing ungünstig und nicht hoch genug für ihn. Tessa bestand darauf, dass er zu hoch wäre für sie, wenn er ihn auch nur einen Zentimeter höher hängte. Was bedeutete, dass er halb geduckt und in einer Haltung stehen musste, die recht anstrengend war. Das Licht war ebenfalls nicht hell genug. Wenn er sich dem Spiegel weiter näherte, beschlug er von seinem Atem, und Dave konnte überhaupt nichts mehr sehen. Er hakte einen Finger in die Unterlippe, zog sie nach unten und drehte den Kopf seitwärts, was eine weitere preisverdächtige Grimasse auf jedem Fratzenschneidewettbewerb hervorrief. Der Zahn sah ganz in Ordnung aus. Also warum um alles in der Welt fühlte er sich jedes Mal, wenn er auf dieser Seite kaute oder etwas Heißes oder Kaltes trank, so an, als hätte ihm jemand eine rot glühende Nadel in den Kiefer gerammt? Er gab seine Bemühungen auf und beendete seine Rasur. Vermutlich konnte er auf dem Weg zur Arbeit bei einem Zahnarzt vorbeischauen und einen Termin vereinbaren. Er trampelte die Stufen hinunter. Als er den Flur erreichte, öffnete sich die Haustür, und Teresa erschien mit gerötetem Gesicht. Sie zerrte einen gescheckten, sich sträubenden Spürhund hinter sich her.
»Ich war mit Henry Gassi«, sagte sie mit einer bedeutungsschwangeren Stimme.
»Ich hab doch gesagt, dass ich es mache«, erwiderte Pearce lahm.
»Reden allein nutzt nichts, oder? Ich habe schon geglaubt, du würdest nie wieder aus diesem Badezimmer kommen. Ich bin einmal um den Sportplatz mit ihm gelaufen. Heute Abend kannst du mit ihm rausgehen. Du bist an der Reihe!«
»Schon gut, schon gut. Ich gehe mit ihm raus.« Pearces Stimmung wurde gereizt. Henry klappte sich auf dem Boden zusammen, legte den Kopf auf die Pfoten und verdrehte die Augen nach oben, während er interessiert seine Besitzer beobachtete.
»Ich weiß, warum du so lange da oben gewesen bist!«, verkündete Tessa mit vor der Brust verschränkten Armen.
»Es ist dieser blöde Zahn! Ich hab dir gleich gesagt, du sollst dir einen Termin beim Arzt holen!«
»Ja, ja. Ich hol mir ja einen«, versprach er.
»Sicher. Genau wie du versprochen hast, mit Henry rauszugehen. Du schiebst immer alles vor dir her, David.« Dave Pearce wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte, wenn sie ihn so nannte.
»Ich verspreche dir«, sagte er,
»dass ich heute irgendwann, wenn ich nicht zu viel zu tun habe, beim Zahnarzt anrufe und mir einen Termin geben lasse. Und wenn ich nach Hause komme, gehe ich gleich als Erstes mit Henry nach draußen.«
»Ich komme zu spät zur Arbeit«, wechselte sie mühelos zu einem weiteren Ärgernis.
»Du musst mich mitnehmen und unterwegs absetzen.«
»Aber das bedeutet …«, begann Pearce, ohne den Satz zu beenden.
»Also schön«, resignierte er.
»Dann mach, dass du fertig wirst, sonst kommen wir beide zu spät.«
»Ich soll machen, dass ich fertig werde? Weißt du, Dave, für jemanden mit einem so verantwortungsvollen Job, wie du ihn hast, bist du alles andere als gut darin, Verantwortung für unser Zuhause zu übernehmen. Du kannst nicht einfach abschalten, weißt du, wie ein … ein Fernseher. Ein Leben in der Kiste, ein anderes draußen. Ich meine …« Tessa wurde bewusst, dass ihr Vergleich einen recht komplizierten Weg hinunterführte.
»Natürlich möchte ich nicht, dass du Arbeit mit nach Hause bringst. Ich bringe meine Arbeit ja auch nicht mit nach Hause, oder? Ich habe jede Menge zu tun bei der Baugesellschaft. Trotzdem lasse ich mein Verantwortungsgefühl
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