Der Fluch der bösen Tat
der Stadt auf seine Stunde wartete. Mit leichten Gewissensbissen warf sie die Zigarette über den Balkon, aber hier drinnen war es einfach zu sauber und gepflegt. Sie versuchte sich auf diesen Gedanken zu konzentrieren, dies Gefühl von etwas Wichtigem, das sie beschlichen hatte, als sie gerade in den Schlaf hinüberdämmerte, nachdem sie sich geliebt und wie zwei Glückskinder aneinandergekuschelt hatten. Aber sie hatte vergessen, woran sie gedacht hatte, und jetzt dachte sie nur noch an Pers starken und fähigen Körper.
Sie hörte, wie die Balkontür aufging. Per legte seine Arme um sie. Er war nackt und steckte seine bettwarmen Hände unter den Bademantel und legte sie sanft auf ihre Brüste. Er küßte ihren Nacken.
»Komm ins Bett«, sagte er.
»Ich kann nicht schlafen«, sagte sie und lehnte sich an ihn. Er liebkoste sie.
»Du sollst auch nicht schlafen.«
»Wieder.«
»Hmm.« Sie spürte seine Lippen an ihrem Hals. Seine Bartstoppeln kratzten ein wenig.
»Ich muß dauernd an was denken.«
»Ich auch«, sagte er und ließ seine Hände über ihren Bauch und bis zu ihrem Schoß hinuntergleiten.
»Das gefällt mir«, sagte sie.
»Du gefällst mir auch.«
Er drehte sie um und küßte sie, während seine Hände ihren Rücken hinunterfuhren und ihre Pobacken umfaßten. Sie spürte sein Glied, nahm es behutsam in die Hand und merkte, wie es steif wurde. Es war wunderschön, begehrt zu werden. Vielleicht war das das ganze Geheimnis der Liebe, Ziel einer solchen Begierde zu sein. Er hörte auf, sie zu küssen und trug sie ins Schlafzimmer, und hinterher schlief sie ein, ohne daß der Gedanke zurückgekehrt wäre.
Aber er war wieder da, als sie am nächsten Morgen in der kleinen Küche frühstückten. Per war seine sieben Kilometer im Westwald gelaufen und dann beim Bäcker gewesen, er hatte Kaffee gemacht und saß mit der Politiken in der Hand und in seiner, wie sie es nannte, Uniform am Tisch: Jeans, Hemd mit geknöpftem Kragen und Schlips, später kam noch die Pistole dazu. An die hatte sie sich immer noch nicht gewöhnt. Sie hatte eine Stunde länger geschlafen als er und fühlte sich frisch und ausgeruht.
»Per«, sagte sie. »Wieso ist dieser Killer so schwer zu finden?«
»Weil er allein arbeitet.«
Er legte die Zeitung beiseite und goß sich von dem starken schwarzen Kaffee nach.
»Wir beobachten Autonome, Linksradikale, Neonazis, Verrückte, Diplomaten aus bestimmten Ländern. Die lassen schon mal die Katze aus dem Sack, die können zum Spitzeln überredet werden, die operieren in Gruppen, in Gemeinschaften. Denen fällt es schwer dichtzuhalten. Den meisten von denen. Wenn er einer von denen wäre, würden wir ihn kriegen. Aber er spricht dänisch wie ein Einheimischer und arbeitet allein. Und so einen erwischen wir nur, wenn wir verdammtes Schwein haben.«
»Ich hab über etwas nachgedacht«, sagte sie.
Sie sah ihm an, daß er wieder eine seiner frechen Bemerkungen machen wollte, aber als er merkte, daß sie es ernst meinte, schwieg er und ließ sie reden.
»Wenn der Attentäter gut dänisch spricht, so gut, daß man ihn für einen Dänen hält, dann muß er doch ziemlich lange hier gewohnt haben, nicht?«
Per nickte, und sie fuhr fort: »Man lernt die Sprache nicht ordentlich, wenn man nicht hier geboren und aufgewachsen ist. Immer verrät die Sprache, ob man tatsächlich Däne ist oder nicht. Die kleinen Nuancen, weißt du.«
»Rede weiter«, sagte Per.
»Die Dänen sind ein Stamm. Wir halten einen Menschen dann für einen Dänen, wenn er die Sprache akzentfrei spricht. Wenn man sie nicht kann, fällt man in dieser kleinen Stammesgesellschaft unangenehm auf. Unser Prinz Henrik spricht kein Dänisch, wir werden ihn nie als richtigen Dänen akzeptieren. Prinzessin Alexandra wurde everybody’s darling, weil sie schon nach kurzer Zeit im Lande Dänisch sprach. Wir haben furchtbare Angst, von der großen weiten Welt geschluckt zu werden. Unsere Sprache ist unser Schild. Deshalb ist sie so wichtig für uns.«
»Ja, Fräulein Lehrerin«, sagte er und lachte.
Sie war verärgert.
»Hör mir zu. Ich möchte meinen Gedanken zu Ende führen dürfen.«
»Mach weiter.«
»Unser Mörder also. Ich finde, wir sollten es versuchen. Er muß etwa 1969 in Kopenhagen geboren worden sein. Das war doch die Jahreszahl, die die Russen angegeben haben, nicht wahr? Und er muß auf jeden Fall neun oder zehn Jahre in die Schule gegangen sein. Vielleicht sogar aufs Gymnasium. Viele jugoslawische Jungen kann es
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