Der Fluch der bösen Tat
Druck einer Gangsterbande beugt.«
»Die Fortsetzung des kritischen Dialogs mit Iran gehört zur Politik der Regierung. Wir sind der Meinung, daß dies letztendlich die besten Resultate erzielen wird. Wir haben den Zeitpunkt nicht ausgewählt. Unser Terminkalender ist für das ganze kommende Jahr ausgebucht. Das ist keine Frage der Politik, sondern der Praktikabilität.«
Stig Thor Kasper Nielsen schaute sich um. In diesem Augenblick wußte Lise, was die Redensart »Ein Engel geht durch den Raum« bedeutete. Das künstliche Wort »Praktikabilität« hing in der Luft. Es war künstlich, aber so wunderbar geräumig und brauchbar. Es war ja ein Teil des ganzen Projekts, daß eine westliche Regierung öffentlich eine Intellektuelle empfangen sollte, die ein Staat gegen alle internationalen Vereinbarungen zum Tode verurteilt hatte. Es wäre eine Manifestation, die in der ganzen Weltpresse beachtet werden würde. Und da sagt die Regierung nein. Sie würde das Realpolitik nennen, aber Lise wußte, daß es mit Exportkronen und der knappen Mehrheit der Regierung zusammenhing. Einer Regierung, die, wie ihre Kollegen in der politischen Redaktion sagten, von internen Unruhen gebeutelt war und wirkte, als hätte sie sich bereits totgelaufen.
Sie konnte ihren Mund nicht halten.
»Das ist mir alles zu feige hier!« sagte sie, und ihre Stimme überschlug sich beinahe. Die andern sahen sie verdattert an. Sogar Tagesen fand wohl, ihr Ausbruch gehe zu weit. Sie hütete sich, noch mehr zu sagen. Sie fürchtete, vor Wut zu weinen, was ihr die anderen als typisch weibliche Schwäche ausgelegt hätten. Aber sie fühlte Verachtung und Zorn wie eine Schlange in ihrer Brust.
»Es wird schon gehen, Lise«, sagte Tagesen. »Ich gehe jedenfalls davon aus, daß wir von der Polizei die nötige Unterstützung erhalten werden.«
»Das ist selbstverständlich«, sagte Jytte Vuldom. »Per Toftlund ist einer meiner erfahrensten Mitarbeiter. Wir tun, was wir können – mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Wenn der Besuch nicht verschoben werden kann.«
Sie ließ den Satz in der Luft hängen, aber Tagesen kam ihr nicht zu Hilfe. Statt dessen drückte er ihr und Toftlund zum Abschied die Hand, während er dem Vertreter des Staatsministers lediglich ein Nicken gönnte. Toftlund erhob sich auch, aber Vuldom bat ihn, noch einen Augenblick dazubleiben.
»Können Sie draußen auf mich warten, Lise, ja?« sagte Toftlund.
Jytte Vuldom ließ die andern hinausgehen, dann schloß sie die Tür.
»Das war wohl nichts, was?« sagte sie.
»Nee. Hatte ich auch nicht erwartet.«
»Aber … wir und das Außenministerium haben uns ein wenig umgehört. Die Typen in Teheran nehmen es gelassen, wenn die Sache hier nicht zu einem offiziellen Staatsbesuch wird. Das mit der Fatwa ist eher für den internen Gebrauch. Ich glaube nicht, daß wir etwas befürchten müssen. Außerdem … die Schweden und Norweger sind ja in einer ähnlichen Lage. Also fix rein und fix raus, dann passiert schon nichts, oder?«
»Tolle Welt, in der wir leben«, sagte Per.
»Ich habe ja einen diskreten Wink bekommen, daß man die ganze Sache am liebsten abgeblasen hätte. Aber wenn es nicht anders geht, dann gehe ich davon aus, daß du dafür sorgst, daß wir nicht hinterher die Gelackmeierten sind.«
Per mußte lächeln. In Jytte Vuldoms Mund klang das Wort verkehrt, aber es war der in der ganzen Oberen Verwaltungsbehörde verbreitete Ausdruck dafür, daß die Politiker schon dafür sorgten, daß irgendeinem höheren oder niederen Beamten der Schwarze Peter zugeschoben wurde, falls irgend etwas schief lief.
»Dann brauche ich mehr Leute«, sagte er.
»Das mit den Mitteln stimmt nun mal leider. Wir sind immer noch dabei, die Überstunden vom Sozialgipfel abzubummeln. Aber du kriegst natürlich alle, die wir beim Wachdienst entbehren können – am betreffenden Tag selbst.
Sonst mußt du mit dem auskommen, was du hast. Wer sagt eigentlich, daß es für das Objekt einen festen Vertrag gibt?«
»Das ist ganz entschieden mein Eindruck.«
»Brauchst du irgendwas?«
»Ja.«
»Aber in Grenzen.«
»Die KW im Nygårdsvej.«
»Geht in Ordnung, Per.«
Stig Thor Kasper Nielsen unterrichtete Staatsminister Carl Bang zwischen zwei Sitzungen. Er spürte, daß Bang über den Ausgang nicht sehr glücklich war, aber er mußte ihn akzeptieren, und immerhin schien er doch überzeugt zu sein, daß sich Nielsen, so gut wie es in der gegenwärtigen Lage überhaupt möglich war, aus der
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