Der Fluch der bösen Tat
Abteilungsleiter war und seine Rolle als Kannegießer und Spielmacher liebte. Er war ein Kind der 70er Jahre genau wie sie, hatte sich aber von jener turbulenten Zeit total distanziert. Bei ihm saß alles, wie es sollte: der Anzug und die Überzeugungen.
Die Sitzung fand in einem anonymen Büro des Polizeipräsidiums statt, und sie war so wichtig, daß sogar Pers Chefin Jytte Vuldom aus Bellahøj gekommen war, um daran teilzunehmen. Sie hingegen imponierte Lise. Sie hatte eine kräftige Stimme und brauchte sie nicht zu heben, um die Männer zum Zuhören zu zwingen. An der Art und Weise, wie Per zu seiner Chefin hinüberblickte, konnte Lise erkennen, daß sein Bericht über den möglichen Vertrag vorher mit ihr abgesprochen worden war. Sie ahnte, daß er Teil einer Einschüchterungstaktik war. Sie erkannte jetzt, worauf das hinauslief.
»Ich möchte gern unterstreichen, daß auch der Staatsminister es unglücklich findet, daß die Sache publik geworden ist, aber die Information stammt selbstverständlich nicht aus unserem Amt. Das nur for the record « , sagte Stig Thor Kasper Nielsen, wie er mit vollem Namen hieß. Er wurde nicht müde zu versichern, daß die undichte Stelle nicht bei ihm zu suchen sei – was eine gegenteilige Wirkung hatte. Mittlerweile glaubten alle, daß Stig Nielsen selber die Quelle war. Aber offenbar war es ihm so wichtig, diesen Verdacht zu entkräften, daß er seine Karten überreizte, oder es lag daran, daß er im Grunde nichts zu sagen hatte oder einfach nicht zur Sache zu kommen wagte.
»Na, es hat ja keinen Zweck, weiter darin herumzutreten«, sagte Tagesen. »Ich bin sicher, daß unsere hervorragende Polizei für den nötigen Schutz sorgen kann.«
»Das ist klar«, sagte Vuldom und steckte sich eine neue Zigarette an. »Aber wir müssen, wie alle anderen auch, Prioritäten setzen: Uns stehen ein hoher Staatsbesuch und ein Gipfeltreffen ins Haus, die beide das Äußerste unserer Mittel verlangen.«
»Und was wollen Sie damit sagen?« fragte Tagesen.
»Nichts anderes als das, was ich gesagt habe«, sagte Vuldom. »Nicht mehr und nicht weniger.«
Lise sah, daß Per zum Sprechen ansetzte, aber sie bemerkte auch, daß Vuldom ihn mit einem einzigen Blick zurückpfiff.
»Dann lassen Sie mich«, sagte Tagesen mit wachsendem Zorn. Lise kannte das ja: Er fing an, an den Jackenknöpfen zu fummeln. Er zupfte sich am Schnurrbart. »Sie sagen, Sie können zu Saras Schutz nicht alle Mittel einsetzen, weil andere Dinge wichtiger sind.«
»Ich glaube nicht, daß die Polizei das sagt«, bemerkte Stig Thor Kasper Nielsen. »Ich glaube, die Polizei wollte nur sagen, daß vielleicht der Zeitpunkt ein wenig unglücklich gewählt ist, weil er mit einer Reihe wichtiger Staatsangelegenheiten zusammenfällt.«
Lise verstand genau, was er meinte, und Tagesen natürlich auch.
»Das kommt nicht in Frage«, sagte er.
»Was kommt nicht in Frage?« sagte Stig Nielsen.
»Daß wir den Besuch absagen oder verschieben. Das fordern Sie ja sozusagen. Das weiterzugeben – darum hat der Staatsminister Sie gebeten, hab ich recht? Aber daran sind weder wir noch Sara Santanda interessiert. Ich habe noch gestern mit ihr gesprochen.«
»Das ist Ihre Interpretation«, sagte der Mann vom Staatsministerium, aber Lise merkte, daß Tagesen ins Schwarze getroffen hatte.
Wieder wollte Per sich einmischen, und wieder warf ihm seine Chefin einen warnenden Blick zu.
»Aber sie stimmt wahrscheinlich«, sagte Tagesen.
»Es fiele uns niemals ein, uns in einen privaten Besuch einzumischen«, sagte Stig Thor Kasper Nielsen und betonte sorgfältig das Wörtchen »privat«. »Der Politiken bleibt selbstverständlich unbenommen zu tun, was die Politiken will.«
»Na prima, danke«, sagte Tagesen. »Das haben wir verstanden. Was ist dann mit der Einladung beim Staatsminister?«
Der Beamte erhob sich, straffte den Rücken und schaute demonstrativ auf seine Uhr.
»Die Dinge hängen ja zusammen, Tagesen. In den kommenden zwei Monaten haben wir ein volles Programm vor uns: der Staatsbesuch, die Reise des Staatsministers in die jütischen Wahlkreise und, wie Sie wissen, einige äußerst komplizierte Haushaltsdebatten. Im Kalender ist schlicht und ergreifend kein Platz. Wie gern die Regierung auch zeigen würde, daß sie sich dem Druck nicht beugt.«
»Genau das tun Sie aber. Sie wissen ebensogut wie ich, daß es für uns und Sara wichtig ist, ein Regierungsmitglied zu treffen. Daß wir zeigen, daß sich Dänemark gerade nicht dem
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