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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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etwas klaustrophobisch konnte einem doch zumute werden. Vom Leben auf kleinen, engen Schiffen, ob Segelboot oder nicht, war Lise nicht gerade angetan. Als Jon elegant und unbeschwert Kurs auf den Öresund nahm, wollte sie lieber auf dem Achterdeck sitzen, von wo man den malerischen Hafen sehen konnte. Sie fühlte den Wind im Haar und beobachtete das Wasser, das grau und blaugrün schillerte, wenn die Sonne durch die hochgelegenen Wolken brach. Jon, der die White Whale mit Hilfe des großen Steuerruders auf Deck lenkte, reichte ihr einen hausgemachten Magenbitter. Er schmeckte herb und stark, war aber wie gemacht für den kühlen Tag. Sie schossen in hoher Geschwindigkeit am Drei-Kronen-Fort und dann an der anderen alten Festung Middelgrunden vorbei. Draußen im Öresund, als kleinen Fleck, konnte sie bereits die äußerste Festung, das Flakfort, erkennen. Jon nahm keinen direkten Kurs auf das Ziel, sondern schien einen Bogen zu fahren. Als hätte er ihre fragende Miene bemerkt, fing er an, die See auf Steuerbord zu erklären, die er »Urent Hav«, »Unreines Meer« nannte. Das klang schaurig und poetisch zugleich. Das »Unreine Meer« war ein großes Gebiet, das sich bis zum Flakfort und zu der Insel Saltholm erstreckte und nicht mehr als einen halben Meter tief war. Jahrhundertelang war es von Kopenhagen als Müllkippe benutzt worden. Es war voll mit Schwellen und Betonklötzen, Bauschutt und vergammelten Schiffsrümpfen. Nur Jollen und andere flachbödige Schiffstypen konnten darüber hinwegfahren. Deshalb mußten sie einen Umweg machen.
    »Da wohnen ein paar richtig fette Aale da draußen«, sagte Per. »Stimmt’s, Jon?«
    »Klar doch. Im Laufe der Zeit wurde ja der eine oder andere tote Feind da unten versenkt, gut eingepackt in Zement«, sagte Jon grinsend.
    Lise gab ihm einen Klaps. Die drei Männer flirteten mit ihr, aber auf eine angenehme Weise, Jon und John wußten ja, daß sie mit Per zusammen war. Der Matrose Lars kümmerte sich nicht um die anderen. Er war ein etwas schüchterner junger Mann, der in der Kombüse mit Kaffee herumhantierte. Per legte demonstrativ seinen Arm um sie und gab ihr einen flüchtigen Kuß. Das hatte er noch nie in der Öffentlichkeit getan. Es machte sie glücklich, daß er der Welt zeigte, daß sie zusammengehörten.
    »Woher kennst du diesen Seeräuber?« fragte sie.
    Jon lachte. Er war nicht sehr groß, aber schlank und kompakt wie ein guter Mittelfeldspieler. Sein Gesicht war gebräunt und voller feiner, kleidsamer Fältchen, er hatte einen gepflegten schwarzen Bart.
    »Ich und die White Whale sind oft in heimlichen Diensten Ihrer Majestät unterwegs gewesen«, sagte er.
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich weiß nicht recht, ob ich das vor dem James Bond da verraten darf«, sagte Jon und zeigte auf Per.
    »Du hast ja nie was getan. Hast bloß auf deinem Hintern gesessen und deine Tausender Staatsknete kassiert, ohne einen Finger zu rühren«, sagte Per.
    »Leicht verdientes Geld, was aber, wenn …«
    »Eben dafür.«
    Lise verstand nicht, wovon sie redeten, aber Per erzählte ihr entspannt, daß die White Whale häufig bei Staatsbesuchen benutzt wurde oder bei Besuchen von Menschen, deren Leben von Fanatikern oder Verrückten bedroht war. Dann lag die White Whale am Kai des Außenministeriums am Asiatischen Platz, und der Sicherheitsdienst hatte eine alternative Evakuierungsroute, falls der Ballon platzen sollte, wie Per sich ausdrückte.
    »Also soll die White Whale Sara zum Flakfort bringen? Das ist dein Plan, nicht?«
    »Genau. Sie sieht vielleicht etwas altmodisch aus, aber sie macht siebzehn Knoten, wenn’s drauf ankommt.«
    »Dann hoffe ich nur, daß Sara seefest ist. Oder das Wetter gut.«
    »Wär ja nicht so günstig, wenn sie gleich bei der ersten Gelegenheit, bei der ihr die Weltpresse ein paar Fragen stellt, das Kotzen kriegen würde«, sagte Per.
    Die White Whale überholte einen langsamen flachen Kahn, der sein Steuerhaus ganz hinten hatte. Am Bug befanden sich unverständliche kyrillische Buchstaben, und am Achtersteven erkannte Lise die russische Flagge, aber das Boot erinnerte sie eher an die Prahme, die sie auf französischen Flüssen gesehen hatte. Der Prahm starrte vor Rost und sah so verwahrlost und ärmlich aus wie die bettelnden russischen Frauen, die sie im Fernsehen gesehen hatte.
    »Das sieht aus wie ein alter Flußprahm«, sagte sie.
    »Das ist ein alter, dreckiger, verfluchter scheißrussischer Flußprahm«, sagte Jon. »Irgendwann geht es

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