Der Fluch der bösen Tat
für einen von denen schief. Sie sind für ruhige Flüsse gebaut, nicht für offenes Fahrwasser. Sie sind flach und unstabil und haben zu geringe Maschinenkraft. Sie stinken, sie machen Dreck und zerstören die letzten Reste des dänischen Kleinschiffverkehrs. Sie unterbieten die Frachtkosten. Ich würde wirklich wünschen, daß man die bei uns verbietet!«
»Die müssen ja auch leben«, sagte Lise.
»Dänische Seeleute auch«, sagte Jon mit einem derart mißmutigen Gesicht, daß Lise das Thema nicht weiter verfolgte. Der Tag war zu schön, um sich ausgerechnet über Politik zu streiten. Sie schaute zu dem Prahm zurück, der sich schwerfällig mit den Wellen abmühte, die gar nicht besonders hoch waren. Es schauderte sie: Es wäre alles andere als lustig, wenn so ein mit Öl oder Kohle beladener Kahn in den dänischen Fahrwassern unterginge. Das war eigentlich eine gute Story, auf die sie einen ihrer Kollegen aufmerksam machen wollte.
Das alte Flakfort zeigte sich von seiner schönsten Seite, als die White Whale zwischen den Molen in den Hafen einlief. Die Molen schlossen das Fort rundherum ein. Aus der Luft erinnerten sie an eine mittelalterliche Festungsmauer, die eine Burg umgaben. Die Hafeneinfahrt war das Haupttor, und das zwei Meter breite Stück zwischen Mole und Fort sah aus wie ein Burggraben und schützte das Fort vor dem Meer. Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolkendecke und färbten das Wasser blau und ließen die blanken Flächen von zwei Segelbooten aufblitzen, die im Hafen vertäut lagen. Das Flakfort erhob sich wie ein kleiner grüner Hügel mit niedrigen Büschen, und Lise erkannte ein Restaurant, einen runden Pavillon mit spitzem Dach wie ein altmodischer chinesischer Hut und einen kleinen Souvenirladen. Zwei Männer saßen fröstelnd auf einer Bank, als wollten sie noch die letzten Stunden des Sommers ausnutzen. Am Kai lag ein großes Boot, das einem umgebauten älteren Fischkutter ähnelte. Es hatte ein offenes Achterdeck mit grünem Baldachin. Eine kleine Menschengruppe, überwiegend Väter mit Kindern, ging gerade an Bord. Jon ließ die White Whale langsam auf den Kai zugleiten. Lise war noch nie auf dem Flakfort gewesen, aber natürlich wußte sie, daß es eine der drei Festungen war, die als Verteidigung gegen einen Angriff auf Kopenhagen gedacht waren. Es war nie bei einem Ernstfall genutzt worden, nicht einmal am 9. April 1940, als deutsche Bomber und Truppentransportschiffe unbelästigt darüber hinweg- und daran vorbeigezogen waren. Die Kanonen hatten nicht funktioniert. Nach dem Krieg wurde das Fort stillgelegt, verfiel und wurde von Seglern, die unerlaubt anlegten, zerstört. Oder von Leuten geplündert, die auf der Jagd nach Steinen oder Kupfergegenständen waren, die es hier in rauhen Mengen gab. Jetzt war es unter Denkmalschutz gestellt worden und im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel. Man war dabei, es zu restaurieren, aber im Innern gab es noch immer viele Kasematten und alte Munitionsräume, die für die Öffentlichkeit gesperrt waren.
Per zeigte auf den Fischkutter, der den Namen M/S Langø trug.
»Wenn Simba hierherkommt, wird das Fort geschlossen. Zu dieser Jahreszeit gibt es nicht mehr so viele Segler, und wenn hier welche ankern, checken wir sie durch. Am Abend davor durchkämmen wir das Fort und am nächsten Morgen noch einmal.«
Die M/S Langø hatte die letzten Passagiere aufgenommen, und die Schraube begann zu arbeiten.
Per sprach weiter.
»In dem Kutter da bringen wir zuerst die Presseleute her. Wir chartern ihn einfach und schließen das Fort für die Allgemeinheit. Dann kommen wir mit Simba in der White Whale und halten die Pressekonferenz im Restaurant ab …«
»Dem Fernsehen wird’s gefallen«, sagte Lise.
»Wieso?«
»Hier lassen sich wunderbare Bilder machen.«
»Massenhaft«, sagte Per trocken. »Denn ich verteile drei, vier Mann mit Gewehren und MPs oben auf dem Fort. Von dort hat man einen guten Überblick. Nicht mal ein Ruderboot kann sich unbemerkt nähern. Dazu ein paar Mann unten vor dem Restaurant. Natürlich auch bewaffnet. Bilder noch und nöcher. Aber das Fort wird so sicher sein, wie nur etwas in dieser Welt sicher sein kann.«
»Ich muß schon sagen. Du hast an alles gedacht.«
»Das hat man nie«, sagte Per.
Sie gingen an Land, und Per traf die nötigen Verabredungen mit dem Wirt, der nicht im geringsten etwas dagegen hatte, für einen Tag zu schließen, als er hörte, daß ein ganzer Kutter voller Presseleute genötigt sein würde, eine
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