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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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das letzte Jahr war einfach schrecklich gewesen. Eine derartige Deroute zu erleben, fast als sähe man sich selbst von außen. Zu sehen, wie die Ehe sich allmählich auflöste und zwei Menschen sich nicht mehr füreinander interessierten. Wie konnte das geschehen? Er war Psychologe und fand keine Antwort. Er konnte das Problem analysieren, daß sie nicht miteinander sprachen, nicht zueinander paßten, sich ständig mißverstanden, aber er konnte nicht erklären, wie und wann es angefangen hatte, mit ihnen bergab zu gehen. Wann die Liebe aufgehört hatte. In den letzten Wochen war einfach alles schiefgelaufen. Und er hatte Angst, Lise zu verlieren, wenn er sich nicht zusammennahm. Es war höchste Zeit. Er gab sich selbst gegenüber gerne zu, daß er sie immer noch liebte und daß er sie ganz furchtbar vermissen würde, wenn sie ginge. Aber er konnte nicht aus seiner Haut und mit ihr die ganze Situation durchsprechen und seiner Sehnsucht und seiner Liebe Ausdruck verleihen. Eigentlich gehörte er zu einer Generation, die blind darauf vertraute, daß man alles besprechen konnte und sich durch ein gutes Gespräch alles lösen ließe, und plötzlich reichten die Worte nicht mehr. Er war sich sicher, daß Lise einen Liebhaber hatte. Er war rasend eifersüchtig, obwohl er es im Grunde für ein zerstörerisches, unmodernes Gefühl hielt, ja beinahe für eine Charakterschwäche, die mit dazu beitrug, die meisten Beziehungen zu zerstören. Jedenfalls sagte er das oft den Paaren, die bei ihm in Therapie waren. Konnte er sich deswegen nicht zusammenreißen und sich einfach vor Lise auf die Knie werfen und sie bitten, ihn wieder anzunehmen, mit ihm zu sprechen und zu versuchen, von vorn anzufangen, damit sie gemeinsam die Flamme wiederfänden, die zwischen ihnen gebrannt hatte und die nun auszugehen drohte? Vielleicht gab es noch eine kleine Glut, der sie wieder Leben einhauchen konnten. Oder war er einfach nicht dazu fähig, jemanden um etwas zu bitten? Beduselt vom Wein wurde er beim Gedanken an Versöhnung sentimental.
    Vuk schenkte ihm nach und erhob sein eigenes Glas.
    »Zum Wohl. Das geht auf meine Rechnung. Es war ein wunderschönes Essen. Auf Dauer ist es ja wenig vergnüglich, alleine zu essen.«
    Auch Ole erhob sein Glas.
    »Ich bin es, der dankt. Ich brauchte auch ein wenig Gesellschaft.«
    Sie tranken. Vuk nippte an seinem Glas, während Ole das seine halb leerte. Er schmeckte den Wein gar nicht mehr richtig. Vuk merkte, daß Ole schon ein wenig lallte. Nicht sehr. Er hatte sich noch gut in der Gewalt, aber die S-Laute fingen langsam an zu summen.
    »Sag mal, was sagt eigentlich deine Frau dazu, daß du mit deinen Plastiktüten so viel durch die Gegend kutschierst«, sagte Ole.
    »Ich bin doch nicht verheiratet, Ole.«
    »Ach ja, stimmt. Du mußt ein glücklicher Mann sein.«
    »Ich bin ja noch nicht so alt. Ich hoffe, ich finde eines Tages eine feste Freundin. Und wir bekommen Kinder. Dann lasse ich mich irgendwo nieder. Im Augenblick ist es aber perfekt, ungebunden zu sein. Das Leben gefällt mir sehr gut so.«
    »Ist das zu ertragen, sein Leben mit dem Verkauf von Plastiktüten zu bestreiten?«
    »Kann man damit leben, tagtäglich anderer Menschen Probleme zu lösen?«
    »Das ist einfacher, als seine eigenen zu lösen«, sagte Ole.
    Vuk lächelte ihn freundlich an. Er wußte, daß er ein nettes und verständnisvolles Lächeln hatte, er flößte Vertrauen ein, und er war ein Mensch, der zuzuhören verstand. Diese Rolle beherrschte er zur Vollkommenheit. Vuk wartete also, Ole leerte sein Glas und ließ Vuk nachschenken, ehe er sagte: »Eigentlich setzt man auf die Ehe all seine Hoffnungen. Unterwegs verliert man irgendwann seine Freunde. Die wichtig waren, als man jung war. Dann kriegt man Angst. Davor, ein Palle, allein auf der Welt zu werden.«
    »Man kann neue Freunde gewinnen.«
    »Das ist schwer. Mit dem Alter wächst die Distanz zu anderen Menschen. Schleichend wie die winterliche Dunkelheit.«
    Ole Carlsen hob sein Glas und lächelte ironisch über seine eigene Metapher. Vuk lächelte auch und sagte: »Ich bin noch jung.«
    »Es war ein großes Glück und sehr schön, dich kennengelernt zu haben.«
    Vuk erhob sein Glas und sah Ole beim Trinken zu.
    »Ganz meinerseits«, sagte Vuk. Er überlegte kurz, ob die Zeit reif war, die Initiative zu ergreifen. Oles Augen waren feucht und so verschleiert wie seine Stimme, und er war sentimental geworden, also fuhr Vuk fort: »Ich würde ja gern noch einen ausgeben, aber

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