Der Fluch der Druidin
Ihr fiel auf, dass auch Nandos Handgriffe langsam waren, aber sie schob es auf die schlaflose Nacht und auf seinen immer wieder ihr Gesicht suchenden Blick.
Von Zeit zu Zeit berührten sich ihre Schultern, dann drehte sie sich zu ihm und erhaschte einen Kuss, bevor sie schweigend weiterarbeiteten.
»Das sind schöne Pferde«, bemerkte sie, als sie schließlich fertig waren und Nando darauf bestand, vor dem Aufbruch noch etwas zu essen. Er zauberte ein paar Stücke Honigkringel aus seinem Gepäck, die zwar schon trocken waren und beim Brechen in grobe Stücke zerfielen, nichtsdestotrotz noch wunderbar süß schmeckten.
»Boiorix’ ältester Sohn züchtet sie.«
»Wirklich? Bei der Lebensweise der Kimbern Pferde züchten, stelle ich mir nicht einfach vor.«
»Das ist es auch nicht. Immerhin kann man über die Jahre aus den besten Pferden der verschiedensten Volkschaften die geeignetsten Zuchttiere zusammenbringen. Ein feuriger Hengst der Skordisker, eine hochbeinige Stute der Sequaner, das macht wunderbare Pferde.«
»Sind diese beiden für den Kampf ausgebildet?«
»Nein. Sie sind ausdauernd und schnell, aber sie würden einfach weiterrennen, wenn ihr Reiter abspringt und zu Fuß weiterkämpft. Sie würden nicht stehen bleiben und darauf warten, ihn wieder zurückzutragen. Diese Pferde wurden gezüchtet, um mit ihnen schnelle Botschaften zu überbringen.«
»Sie gehören dir?«
»Ja, das tun sie.« Zufrieden lächelnd strich Nando über ein weiches Maul. »Boiorix’ Sohn kümmert sich für mich um sie, wenn ich unterwegs bin.«
»Mein Vater züchtet ebenfalls Pferde – die kleine wendige Sorte wie eure. Er bildet sie selbst für den Kampf aus, genauso, wie du es gerade beschrieben hast. Das kostet ihn viel Zeit, und er verzieht jedes Mal das Gesicht, wenn er sie schließlich verkaufen muss. Er hängt an jedem einzelnen Tier. Ich bin sicher, er würde nicht gerne mit hochschwangeren Stuten oder jungen Fohlen im Dreck des Kimbernzugs einherziehen.«
»Ist er erfolgreich?«
»Mit seinen Pferden? – Ja. Es hat ihn wohlhabend gemacht.«
»Darauf möchte ich wetten. Als armer Niemand hätte er sonst nie die Tochter eines vindelikischen Fürsten ehelichen können, nicht wahr?«
»Nun, eigentlich …« Sumelis verstummte, bevor sie ihn berichtigen und damit eine Erzählung zur nächsten führen würde. Dies war nicht der Tag, um Nando ihre Familiengeschichte zu erzählen. Sie hatten es eilig, Gefahr dräute noch immer über ihnen. Außerdem war Sumelis einfach zu glücklich, um von den dunklen Jahren zu berichten, von der düsteren Wahrheit ihrer Zeugung und der Wahl, die sie Jahre später getroffen hatte, als sie Atharic kennengelernt und zu ihrem Vater gemacht hatte.
»Ich wusste nicht, dass Boiorix Söhne hat«, bemerkte sie, um Nando abzulenken, während sie nach dem letzten Honigkringel griff und genüsslich daran knabberte.
»Für erwachsene Söhne mächtiger Männer ist es manchmal besser, keinen zu großen Ehrgeiz zu entwickeln.«
»Sprich es ruhig aus, Nando: Boiorix ist jähzornig und machtbesessen. Wahrscheinlich würde er einen Sohn, von dem er fürchtet, er könnte für ihn zur Bedrohung werden, eigenhändig aus dem Weg schaffen.«
»Boiorix ist ein gewählter König«, erwiderte Nando steif. »Er war zum Heerkönig gewählt, lange bevor seine Abstammung von Donar ihn zum König über den ganzen Stamm machte. Und er lebt in dieser Tradition, von seinen eigenen Männern auserkoren zu sein. Bei ihm muss sich jeder seinen Platz verdienen. Dann ist er auch gerecht. Und loyal.«
Sumelis bemerkte Nandos Unbehagen und legte eine Hand auf seine Wange. »Verzeih!«, bat sie. »Ich weiß, Boiorix bedeutet viel für dich. Es ist nur so, dass ich nicht die Erste aus meiner Familie bin, die unter Boiorix gelitten hat. Mein Vater hat ihn ebenfalls gekannt. Sogar meine Mutter hat ihn getroffen. Glaub mir: Sie haben Grund, ihn zu hassen. Guten Grund.«
»Das hast du mir nie erzählt!«
Diesmal war es an ihr, unbehaglich auf der Stelle zu rutschen. »Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen. Ich weiß auch nur das, was meine Mutter mir erzählt hat. Mein Vater redet nicht darüber. Er ist besser darin, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, als Mutter.« Während sie sprach, krempelte Sumelis die Ärmel ihrer Tunika hoch. Es war noch früh, dennoch war es schon jetzt sehr warm. Ein Spatz flatterte herbei und ließ sich in einiger Entfernung auf einem Ast nieder, um mit gierig auf und ab
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