Der Fluch der Druidin
fragte er heiser. Seine Brust hob und senkte sich unter schweren Atemzügen, aber dort, wo Sumelis ihn berührte, gab die Anspannung unter der Haut zögernd nach. Sie ließ ihn los.
»Ich sehe dich.«
5 . Kapitel
N ando wurde nicht klug aus Sumelis. Sie war …
… verwirrend.
Nein, das stimmte nicht ganz, musste er bekennen. Er mochte sie nicht immer verstehen, doch im Grunde war sie so geradlinig wie eine Lanze, der ehrlichste und offenste Mensch, dem er je begegnet war. In ihr war kein bisschen Falschheit, kein Egoismus, weder der Wunsch nach Macht noch Unsicherheit über den Weg, dem ihre Seele folgen würde.
Seele.
Verdammt, jetzt dachte er sogar schon wie sie!
Rätselhaft war Sumelis ebenso wenig, nicht im Sinne von unberechenbar. Sie war alles andere als sprunghaft, meinte, was sie sagte. Nein, verwirrend war Sumelis nur in ihrer Wirkung auf ihn.
Der Gedanke weckte sofort Widerspruch in ihm. Er hatte alles unter Kontrolle. Immerhin hatte Sumelis ihn noch nicht dazu gebracht, etwas zu tun, was er nicht tun wollte, also war sie weder eine Zauberin noch ein beeinflussendes Miststück wie Rascil, Boiorix’ bevorzugte Priesterin. Sumelis war nur sie selbst. Ein Mädchen. Eine Frau.
Licht.
Diese verfluchte Sonne trieb ihn noch in den Wahnsinn! Es war viel zu heiß und die Luft zu still und trocken, kein Wunder, dass sein Gehirn langsam verschmorte wie zu lange auf heißen Steinen liegen gelassenes Fleisch!
Nando beugte sich vor und goss sich einen Schwall lauwarmen Wassers über den Kopf. Tropfen spritzten nach allen Seiten, zumal er sich wie ein Hund schüttelte und sich mit den Fingern durch das im Laufe seiner Reise länger gewordene Haar fuhr, auf dessen dichtes Gold die Sonne niederprallte, als wäre er ihr erklärter Feind. Eigentlich müsste er die Haare wieder abrasieren, seinem Eid gemäß, erst dann die Haarpracht eines Kriegers zu tragen, wenn jede Schande, die mit seiner Herkunft verbunden sein mochte, ausgelöscht war. Wenn er Boiorix das Leben zurückgegeben hatte, das dieser ihm so großzügig gewährt hatte.
»Er ist keiner von uns!«, hatten einige, die Nando erkannten, damals gezischt, als er mit aller jugendlichen Frechheit forderte, seinen Platz in Boiorix’ Gefolgschaft einnehmen zu können. Sie hatten ihn nicht willkommen geheißen. Im Gegenteil, sie hatten sich unbeeindruckt gezeigt von den Strapazen, die er überwunden hatte, um zu seinem König zu gelangen, von seinem Mut, der doch tausendfach größer war als der aller anderen zusammen. Rascil – damals noch eine Priesterin unter vielen – hatte gehöhnt: »Aus dem Ei einer Natter geschlüpft! Er ist ja noch nicht einmal ein Mann!«
Einzig Boiorix hatte das Versprechen in den Augen des Jungen gesehen, den hungrigen Willen, den Pfad vor sich zu verwandeln, aus Nord Süd zu machen, sich und alles, was er einst war, seinem Befehlshaber zu opfern. Also hatte der König, umgeben von den Männern seiner Leibgarde, den Anführern des Heers und den Treuesten seiner Gefolgschaft, nach Schild und Lanze gerufen. Er hatte die Waffen hoch in den Himmel gereckt, damit alle sahen, was er tat, Götter wie Menschen, ehe er sie Nando feierlich übergab. Diese Wehrhaftmachung, der Moment, in dem Boiorix mit der Überreichung von Schild und Lanze aus einem Jungen einen Mann machte, mochte improvisiert gewesen sein, für Nando war es jedoch der bedeutendste Augenblick seines Lebens gewesen. Daran hatte sich bis heute nichts geändert.
Seine Haare. Sumelis hatte scherzhaft gesagt, wenn sie so weiterwüchsen, müsste sie ihm den Kamm wohl zurückgeben, den er ihr geschenkt hatte. Auf seine Erwiderung hin, er würde sie bald abscheren, hatte sie erwartungsgemäß sofort widersprochen: »Das wäre eine Schande! Du bist doch kein Schaf. So steht es dir viel besser!«
»Die Zotteln kommen ab!« Er hatte ihr nicht erklärt, weshalb er sie so kurz trug. Seine schweigende Absicht, sich der Haarpracht eines Kriegers erst würdig zu erweisen, war allein seine Sache. Überhaupt, weshalb sollte er seine Frisur mit ihr diskutieren?
Seit jedoch mit jedem Schritt, der Nando und Sumelis weiter aus den Bergen hinaus und in die Ebene des Padus’ brachte, die Sonne kraftvoller auf seinen Schädel brannte, hatte Nando beschlossen, mit der Schur so lange zu warten, bis es Herbst wurde oder sich seine helle Kopfhaut an die Sonne gewöhnt hatte.
Er hasste den Süden. Bereits als Kind hatte er die Sommer bei den Skordiskern als zu heiß empfunden, später
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