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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Stute machte einen dankbaren Satz nach vorne, trug ihn im schnellen Trab aus der Reichweite der Steine und Schreie. Sumelis schloss zu ihm auf, ebenso die Tiguriner. Mit erhobenen Schilden bildeten sie ein schützendes Viereck um Nando und Sumelis, obwohl nirgends ein weiterer Angreifer in Sicht war. Die Alte war allein gewesen.
    »Was war denn das?« Sumelis war erschüttert. Einer der Steine hatte ihren Oberarm getroffen, dort, wo sie ihre Bluse nach oben gekrempelt hatte. Sie kratzte an der geröteten Stelle, als wolle sie Schmutz entfernen. Nando wäre jede Wette eingegangen, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben dermaßen angefeindet worden war.
    Es war einer der Tiguriner, der antwortete: »Die Kimbern haben das gesamte Gebiet den Winter und Frühling über kahlgefressen. Den Menschen hier ist nicht viel geblieben, nicht einmal das Saatgut. Viele haben den Winter gerade so überstanden, und der nächste wird ohne Ernte und Vieh nicht besser werden. Bestimmt war das eine Frau, deren Familie alles genommen wurde und die jetzt wie Bettler leben. Die Kimbern haben sich hier nicht sonderlich beliebt gemacht, aber das tun sie ja niemals, nicht wahr?«
    Nando gefiel der provozierende Tonfall des Tiguriners nicht, selbst wenn der Mann recht hatte und sie noch an vielen geplünderten Höfen und Dörfern vorbeikommen würden, solange sie der Spur des Kimbernzugs durch die Ebene folgten. Möglicherweise würde es auch nicht das letzte Mal sein, dass Steine flogen. Der Zwischenfall bekräftigte ihn in seiner Entscheidung, die Hauptwege zu meiden, bis sie das Gebiet der Insubrer erreichten, wo der Zug sie erwartete.
    »Hast du etwas von dem, was die Frau schrie, verstanden?«, fragte er Sumelis.
    »Nein, wie kommst du darauf? Es war nicht einmal mehr viel Menschliches in ihrer Stimme!« Sumelis rieb sich noch immer den schmerzenden Arm. Trotz der Hitze hatte sie kalte Hände und war froh, dass Nandos Frage ihr Ablenkung bot. Sie wollte sich erkundigen, worauf er hinauswollte, doch dann erinnerte sie sich an die Geschichten, die sie als Kind von ihrer Mutter gehört hatte: Erzählungen von tapferen Helden, von Raubzügen bis nach Rom und den Städten der Griechen, von jungen Männern, die sich jenseits der Berge niedergelassen hatten und niemals wieder zu ihren keltischen Heimatstämmen zurückgekehrt waren. Alte Erinnerungen an die Zeit ihrer Ahnen, bewahrt von Barden, die ihre Lieder von Generation zu Generation weitergaben.
    »Die Römer sollen dieses Gebiet Gallia cisalpina nennen«, fuhr Nando wie als Antwort auf ihre Überlegungen fort, aber vielleicht führte er auch einfach das weiter, was er Sumelis an der Via Postumia zu erklären begonnen hatte. »Das bedeutet, etliche von den Stämmen hier sind keltisch. Es heißt, vor hundert Jahren hätten sie das letzte Mal gegen die Römer Krieg geführt. Sie wurden besiegt und mussten Verträge mit ihnen schließen. Womöglich sind es Vorfahren von dir? Vielleicht bist du nicht die erste Vindelikerin, die das Gebirge überquert hat?«
    Sumelis schnaubte. »Das sowieso nicht!« Doch es klang nicht harsch, denn sie mochte es, wenn Nando von dem erzählte, was ihnen auf ihrem Weg begegnete. Sie war immer wieder überrascht, wie viel er über die Welt, von der sie selbst gerade erst eine Ahnung bekam, wusste: von Stämmen, deren Namen sie nie zuvor gehört hatte, von Flüssen, die in sagenhaften Meeren mündeten und an deren Gestaden Römer und Griechen Handel trieben. Von Kriegen zwischen Nachbarvölkern, schlummernden Feindschaften und geheimen Bündnissen. Nando, so dachte sie, hätte ihren Großvater bestimmt beeindruckt.
    Was Mutter und Vater wohl von ihm halten würden?
    Seit sie den Pass überquert hatten, dachte Sumelis zunehmend weniger an ihre Eltern und Geschwister. Es war nicht so, dass sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden hatte, es lag vielmehr an ihrem gewachsenen Vertrauen in Nando und sein Versprechen, sie würde ihre Familie wiedersehen. Nando würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah, und was immer auch der Grund sein mochte, weshalb sie entführt worden war, so stand sicherlich nicht die Absicht dahinter, ihr Leid zuzufügen. Sumelis war sich sogar ziemlich sicher, dass Nando sie mochte. Sie erinnere ihn manchmal an seine Schwester, hatte er einmal überraschend gestanden. Sein Grinsen war schalkhaft gewesen, nicht verächtlich, als er hinzugefügt hatte: »Sie war genauso lästig wie du.«
    Ja, Nando sah mehr in ihr als nur eine Last oder einen

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