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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Königs. Die linke Seite wurde begrenzt von einer Reihe aus brusthohen, gegen einen Wagen gelehnten Schilden. Das Eisen der Schildbuckel hatte zu rosten begonnen, das Holz schien teils gesplittert, und die bunten Farben der Bemalungen auf dem Lederüberzug waren verblasst oder bröckelten gar ab. Neben jedem Schild ragte eine Lanze empor. Auf einigen Eisenspitzen glaubte Sumelis Krusten getrockneten Bluts zu erkennen; zwei waren am Schaft gebrochen.
    Zu Sumelis’ Erleichterung war der Kimbernkönig ins Helvetische gewechselt. Sie wusste nicht, ob Boiorix eine Antwort auf seine Feststellung erwartete, daher schwieg sie. Unterdessen war eine der Wachen zu ihnen unter den Sonnenschutz getreten, die Lanze stoßbereit in der Rechten. Erstarrt wagte Sumelis nicht, sich zu rühren.
    »Dein Name ist Sumelis?«
    Sie nickte.
    »Nun, Sumelis, sag mir: Würdest du dich selbst als die mächtigste Zauberin der keltischen Stämme beschreiben?«
    »Was meint Ihr, Herr?«
    »Bist du die mächtigste Zauberin der Kelten?«
    »Ich, ich weiß nicht …« Sie begann zu stottern. Sie hatte keine Vorstellung, worauf er hinauswollte, ahnte jedoch, dass Unehrlichkeit genauso wenig gefragt war wie falsche Bescheidenheit. Also räusperte sie sich und fuhr fester fort: »Ich verstehe nicht ganz, was Ihr meint, wenn Ihr von ›Kelten‹ sprecht, Herr. Ihr habt weitaus mehr von dieser Welt gesehen als ich, wenn das alles wahr ist, was Nando mir erzählt hat. Ich dagegen kenne nur das Volk meiner Mutter, die Vindeliker, sowie unser Nachbarvolk, die Helvetier, bei denen ich aufgewachsen bin. Ich weiß nicht, wer all die Stämme sind, die Menschen, die Ihr als Kelten bezeichnet. Ich kenne sie nicht.«
    »Das beantwortet nicht meine Frage. Ich wollte wissen, ob du die mächtigste Zauberin bist, mächtiger als alle anderen, alle Druiden!«
    »Wie könnte ich das wissen, Herr?« Sumelis verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und grub die Nägel in das weiche Fleisch ihrer Handballen. Hastig, da sie Boiorix’ sich verdüsternde Miene bemerkte, fügte sie hinzu: »Das Einzige, was ich Euch versichern kann, ist, dass es bei den Vindelikern keinen Druiden gibt – niemanden – mit einer Gabe so mächtig wie die meine.«
    Und bei den Helvetiern,
hätte sie beinahe hinzugefügt, doch dann erinnerte sie sich an das rothaarige Mädchen, welches sie nach der Passüberquerung gesehen hatte, und schwieg.
    »Eine gute Antwort. Angemessen.« Boiorix strich nachdenklich über seinen gestutzten Bart. »Hast du schon einmal einen Menschen verflucht?«
    Die Frage traf Sumelis genauso unvermittelt wie die erste. Verwundert schüttelte sie den Kopf. »Nein, natürlich nicht! Wieso sollte ich so etwas tun?«
    »Jetzt verstehe ich langsam, was Nando meinte«, brummte Boiorix, ohne sich darum zu scheren, ob sie seinem Gedankensprung folgen konnte. »Nun, das macht die Sache leichter. Sicherer.«
    Sumelis hatte keine Ahnung, worüber er sprach. »Nando sagte, mich würde hier nichts Böses erwarten«, begann sie zögernd. »Er meinte –«
    »So, sagte er das? Interessant. Nun, dann wird er wohl recht haben. Wenn du erledigst, was ich von dir verlange, werde ich mich erkenntlich zeigen. Du wirst frei sein zu gehen, wohin du willst. Man mag mir vieles vorwerfen, Undankbarkeit gehört jedenfalls nicht dazu.«
    »Das also soll die wunderbare Rettung sein?« Die Stimme erinnerte an das Kreischen einer Axt, die nachgeschärft wurde. Sumelis drehte sich um und sah eine grauhaarige Priesterin auf sich zukommen. Hinter ihr folgte ein kleinwüchsiger, nach vorne gebeugter Mann mit viel zu kurzen Extremitäten und einem verkrüppelten Arm. Er bewegte sich in einem unregelmäßigen, hüpfenden Gang, der beinahe etwas Lächerliches an sich hatte. Der Krüppel hatte braungelocktes Haar auf einem Kopf, der zu groß für seinen Körper wirkte; sein Alter war schwer zu schätzen. Das einzig Schöne an ihm waren die haselnussbraunen Augen mit den dichten Wimpern. Sie erinnerten Sumelis sofort an Rehe. Nando folgte ihm in fünf Schritt Abstand.
    Der Krüppel drängte sich an Rascil vorbei und griff, ehe Sumelis sichs versehen konnte, nach ihrer Hand. Ihre Fingerspitzen gegen seine hohe Stirn pressend, sagte er mit einer überraschend tiefen Stimme: »Es ist eine Ehre, Euch hier zu haben, meine Dame. Eure Anwesenheit bereichert dieses Lager um das Beste, was das vindelikische Volk zu bieten hat.«
    Verlegen zog Sumelis ihre Hand zurück. Die Priesterin dagegen schnaubte amüsiert.

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