Der Fluch der Druidin
auch, dass das rothaarige Mädchen, als es ihn verfluchte, mit Blut ein Zeichen auf seine Stirn gemalt und dass niemand mehr nach dieser Nacht die Druiden der Tiguriner zu Gesicht bekommen hatte. Sie waren in der Dunkelheit verschwunden wie Geister, die vor dem Feuer flohen. Mit dem darauffolgenden Neumond hatten dann die Träume begonnen.
Am Ende der knappen Schilderung jenes Abends breitete Sumelis hilflos die Arme aus. »Ich habe keine Ahnung von Flüchen, Herr. Ich weiß nicht, was Ihr von mir erwartet, doch wenn Ihr meint, ich könnte diesen Fluch rückgängig machen, dann wüsste ich nicht, wie.«
Rascil schnaubte höhnisch und sprang auf. »Da habt Ihr es!«, rief sie triumphierend. »Ich habe ihr gleich angesehen, dass sie keine wahre Macht besitzt. Was für eine Zeitverschwendung!«
»Doch, das tut sie. Sumelis besitzt Macht.« Endlich drehte sich Nando wieder zu ihnen um. Er untermauerte seine Worte, indem er sich dicht hinter Sumelis stellte, die den plötzlichen Drang verspürte, sich einfach ein Stück nach hinten fallen zu lassen und sich gegen ihn zu lehnen. Ihre Knie zitterten.
»Und sie braucht dazu weder Opfer noch Gebete noch wildes Herumgetanze«, fügte Nando mit einem kaum merklichen Nicken in Rascils Richtung hinzu.
»Was genau vermag sie zu tun?«
»Nun, es ist wie ein sechster Sinn, würde ich sagen. Sumelis kann Männer dazu bringen, Dinge zu glauben, die …« Nando zögerte. Er war nicht gut in so etwas. Das alles gehörte nicht zu seiner Welt. Sein Blick fiel auf den Lederbeutel, der an Sumelis’ geflochtenem Gürtel baumelte. Er wusste, was der Beutel enthielt: den Kamm mit dem Pferdegriff, den er ihr geschenkt hatte. Sumelis behandelte ihn, als wäre er ein Amulett, aber Nando bezweifelte, dass dieser Kamm sie vor irgendetwas beschützen könnte, am allerwenigsten vor Rascils oder gar Boiorix’ Zorn. Lahm beendete er seinen Satz: »Sumelis hat eine besondere Gabe. Fähigkeiten wie die ihre sind mir noch nie begegnet.«
»Ach ja? Von was für Fähigkeiten reden wir jetzt, Nando? War deine Reise doch süßer, als du uns glauben machen willst?«
Sumelis konnte Nandos aufwallenden Ärger förmlich riechen. »Rascil, ich möchte nur wissen, welche Göttin Ihr eigentlich zu beeindrucken hofft! Ein Mann kann es nicht sein, denn Euer Schoß ist sicherlich mit Messern bestückt!«
Boiorix’ rechte Faust traf die offene Handfläche seiner Linken, dass es nur so knallte. Sofort wirbelte auch die zweite Wache vor dem Zelt herum und hob die Lanze. Boiorix achtete nicht darauf, während er im Plauderton warnte: »Ich habe euch nicht gerufen, um mir eure Streitereien anzuhören. Nando, ich will eine ehrliche Antwort: Ist Sumelis’ Macht groß genug, um mir zu helfen?«
»Das weiß ich nicht, Herr.«
»Hattest du in ihrer Nähe jemals seltsame Träume?«
»Nein, nichts dergleichen.«
»Trotzdem glaubst du, die Richtige gefunden zu haben?«
»Ich bin mir vollkommen sicher, Herr.«
Boiorix hob abwehrend eine Hand, gerade als Nando Anstalten machte, Gründe für seine Behauptung zu liefern. »Lass es, Junge! Ich glaube dir.«
Er schwieg einen Moment lang. Als er schließlich weitersprach, musste er seine Stimme nicht einmal senken, um die Drohung darin zu betonen.
»Wenn du mir nicht helfen kannst, Sumelis, habe ich keine Verwendung für dich. Keine Verwendung, keine Dankbarkeit« – er beugte sich vor –, »keine Sicherheit für dich! Also denk noch einmal darüber nach, ob du diesen Fluch nun von mir nehmen kannst oder nicht!«
»Aber ich weiß nicht, wie!«
»Wieso versucht Ihr es nicht einfach?« Sie alle hatten den Krüppel vergessen und blickten sich einen Moment lang verwirrt um, woher der Vorschlag kam. Die Rehaugen des Krüppels blieben während der plötzlichen Stille unverwandt auf Sumelis geheftet.
»Es heißt, Ihr könnt Seelen sehen – also auch die unseres Königs. Bestimmt findet Ihr heraus, was seine Seele heimsucht, was ihm diese Träume beschert. Vielleicht könnt Ihr seine Ängste lindern.« Bei dem Satz verengten sich Boiorix’ Augenbrauen, und er ballte drohend die Fäuste, doch der Krüppel fuhr unbeirrt fort: »Vielleicht könnt Ihr die Verzweiflung von ihm nehmen, die ihn im Traum so sehr lähmt, dass sie auch im Wachen sein Handeln und Denken beeinflusst. Ihr glaubt doch daran, dass das Gute das Böse aus einer Seele vertreiben kann, oder nicht?«
Einen Moment lang war es still. Dann brach Rascil in Gelächter aus. Selbst Boiorix’ Mundwinkel
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