Der Fluch der Druidin
Eingang blockierten, senkten grüßend die Köpfe, bevor sie zur Seite wichen, um ihn durchzulassen.
Es war seltsam zu beobachten, wie Nando und sein König sich begrüßten: wie zwei Hunde, die sich kurz beschnupperten – der eine mit steil aufgestelltem Schwanz, der andere vorsichtig wedelnd –, zurückwichen und dann mit nach vorne gerichteten Ohren auf die nächste Bewegung des jeweils anderen warteten. Die beiden Männer sprachen kimbrisch miteinander, und Sumelis, die noch immer auf ihrem Pferd saß und sich bemühte, die bohrenden Blicke in ihrem Rücken zu ignorieren, verstand immerhin genug, um dem Gespräch folgen zu können.
»Ist sie das?«
»Ja.«
»Sie ist sehr jung.«
»Sie ist die Tochter der Zauberin, von der Euch der Krüppel erzählt hat. Von der er behauptete, sie wäre damals dabei gewesen und hätte ihrer Mutter geholfen, Alte-Stadt vor den Boiern zu retten.«
»Wie heißt sie?«
»Sumelis. Ihr Vater, so sagt sie, stammt aus dem Norden, daher versteht sie uns wohl. Auf jeden Fall spricht sie fließend Helvetisch. Ich habe sie in Alte-Stadt aufgegriffen. Ihre Mutter ist …«
Boiorix unterbrach ihn ungeduldig. »Schon gut, ihre Familiengeschichte interessiert mich nicht. Hauptsache, sie versteht, was man ihr sagt.«
»Sie wird Euch gehorchen, Herr.«
»Gut. Weiß dieses Mädchen, weshalb es hier ist?«
»Nein. Ich habe es nicht als meine Aufgabe verstanden, ihr das zu erklären.«
»Du hast recht getan.« Boiorix kniff die Augen zusammen, während er Sumelis von oben bis unten musterte. Das Mädchen stellte fest, dass die Stimme des Kimbernkönigs erstaunlich deutlich war, obwohl er beim Sprechen kaum die Lippen bewegte. »Nun sag mir, Nando, hast du gesehen, wie sie ihre Zauberkraft gebraucht? Hat sie sie gegen dich eingesetzt?«
Wahrscheinlich fiel nur Sumelis auf, dass Nando diesmal kurz mit einer Antwort zögerte. »Nein, sie hat ihre Gabe nicht gegen mich eingesetzt. Ich weiß jedoch, dass der Krüppel nicht gelogen hat, als er Euch von ihren Fähigkeiten berichtete. Sumelis kann Seelen sehen, und sie kann sie auch beeinflussen.«
»Droht Gefahr von ihr?«
»Kaum. Sie ist so gut, wie man nur sein kann.«
Der Satz ließ Boiorix einen Moment stutzen, dann brach er in schallendes Gelächter aus – eine solche Seltenheit, dass sich sogar die Wachen nach ihm umdrehten.
»Es tut mir leid, dass du einen langweiligen Ritt hattest, Nando«, keuchte er, sobald er sich wieder beruhigt hatte. »Und ich dachte, du bringst uns eine Hexe!«
Nando lächelte verkniffen.
»Hol den Krüppel, Nando, und wenn du schon unterwegs bist, auch Rascil. Lass mich kurz mit unserem Gast allein!«
»Vielleicht sollte ich besser –«
»Tu, was ich dir gesagt habe!«
»Ja, Herr.«
»Und Nando?« Der jüngere Mann, der sich bereits zum Gehen gewandt hatte, hielt inne. Boiorix nickte ihm anerkennend zu. »Das hast du sehr gut gemacht – wie immer. Mein Dank ist dir gewiss. Es tut gut, dich wieder hier zu haben.«
Nando neigte den Kopf in einer Verbeugung, die sein aufkeimendes Lächeln verbarg. Einen Herzschlag später eilte er an Sumelis vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Lediglich der Luftzug, den er hinter sich herzog, kühlte die Haut ihres entblößten Fußknöchels. Schlagartig – das erste Mal, seit Sumelis Nandos Wunden nach dem Angriff des Tollgeists ausgebrannt hatte – kehrte das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit, das am Beginn ihrer Entführung stets gegenwärtig gewesen war, zurück. Sumelis schluckte krampfhaft und konzentrierte sich darauf, ihren Atem in der Mitte ihres Körpers zu sammeln.
»So, du beherrschst also die Seelenmagie deines Volkes.« Boiorix winkte sie herbei, und Sumelis hielt es für das Beste, ihm anstandslos zu gehorchen. Sie glitt vom Pferderücken und trat aus der Sonne hinein in den Schatten des Zeltdachs, dessen gelbes Tuch die Farben veränderte. Es zauberte eine kränkliche Farbe auf Boiorix’ Gesicht, zumindest glaubte Sumelis das, bis sie die geröteten Augäpfel gewahrte und daraus schloss, dass die fahle Haut wohl von etwas anderem herrührte als von den Lichtverhältnissen.
Hatte Sumelis Prunk und Reichtum erwartet, so wurde sie enttäuscht. Bis auf eine Liege, auf der bunte Decken und samtig schimmernde, mit Gänsedaunen gefüllte Kissen lagen, sowie eine reichverzierte Truhe mit goldenen Beschlägen war der überdachte Platz karg und zweckmäßig eingerichtet: das Hauptquartier eines Heerführers, kein Schatzraum eines
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