Der Fluch der Druidin
fortschreitenden Abenddämmerung durch die Fichten kroch, hinuntergeschlungen, säuberte sie sich mit einem Weidenhölzchen flüchtig die Zähne und wankte zu ihren Decken. Sobald ihr Kopf den Boden berührte, schlief sie vollkommen erschöpft ein.
Was sie am nächsten Morgen weckte, war der Aufschrei einer Seele, die jäh aus ihrem Körper gerissen wurde.
Ein Blitz. Peitschendes Zerfetzen wie eine Schleuder, die unverhofft reißt. Ein hellblauer lebendiger Ball, in die Leere des Raums geschmettert. Der nichts zurücklässt als … nichts. Daneben rotes Feuer: Schmerz, der schnell verklingt.
Tod.
Unerwartet.
Talias abruptes Aufsetzen weckte Atharic und ließ ihn nur einen Wimpernschlag nach ihr aus der Decke schnellen. Es schabte leise, als sein Schwert aus der Scheide glitt und er grob an Talias Arm zerrte, um sie in Deckung hinter den nächsten Baumstamm zu stoßen. Er selbst verharrte reglos mit nach vorne geneigtem Oberkörper, wie eine Statue in der Bewegung erstarrt. Und lauschte.
Nichts, nur die Dunkelheit des frühen Morgens, die langsam grauem Nebel wich. Atharic drehte sich zu Talia um und machte eine fragende Handbewegung. Sie deutete an ihm vorbei in Richtung der Stelle, wo vierzig Schritt entfernt die Pferde standen und ihr Führer kurz zuvor die letzte Wachschicht angetreten hatte. Dann zog sie in einer alles sagenden Geste den Zeigefinger über ihre Kehle. Es war gerade hell genug, dass sie erkennen konnte, wie Atharic grimmig nickte. Kurz darauf war er verschwunden. Talia griff nach ihrem eigenen Dolch, ging in die Hocke und warf ihren dunklen Umhang über sich, bis sie mit dem Stamm in ihrem Rücken verschmolz.
Schweigen. Sie hörte nichts, nicht einmal das Knacken des kleinsten Ästchens. Kein Schnauben der Pferde, keinen Ruf eines Kauzes. Sie versuchte, die Dunkelheit und den Nebel mit den Augen zu durchdringen, doch sie sah nur die nächsten zwei Baumreihen, dahinter verschwamm alles im schemenhaften Dunkelgrau. Endlich, nach einer Ewigkeit, abermals ein roter Blitz, Flammen und schnell erlöschender Schmerz.
Nicht Atharic.
Talia schloss die Augen und schickte ein Gebet an die Jägerin der Nacht, die Eule, göttliche Botin und treue Weggefährtin seit ihrer Kindheit.
Ein weiterer lautloser Tod. Dann ein Schrei, eine panische Frage in einer unverständlichen Sprache, das Brechen von Zweigen, Rascheln und Ächzen. Ein dumpfer Laut, als zwei schwere Körper zu Boden fielen, erneutes Rascheln und Keuchen und eine weitere Seele, die ihren Körper verließ.
Stille.
»Waren das alle?«
Talia konnte nicht genau zuordnen, woher Atharics Stimme kam. Sie zwang sich, sich zu konzentrieren, versuchte, ihre Wahrnehmung auf die Umgebung auszuweiten, auf menschliche Seelen außer ihrer eigenen und Atharics.
»Ich glaube, da ist niemand mehr.« Sie verfluchte sich. Sumelis hätte sofort gewusst, wenn sich andere Leute in der Nähe aufhielten.
»Gut.«
Atharics Umriss schälte sich zwischen den Bäumen heraus und trat dicht neben sie. Er hatte einen Kratzer auf der linken Wange, der wahrscheinlich schlimmer aussah, als er in Wirklichkeit war, ansonsten schien er unverletzt. Erleichterung durchflutete Talias Adern, und einen Moment lang war ihr schwindelig.
»Das waren junge Kerle, keine erfahrenen Krieger«, bemerkte Atharic. »Falls wir Glück haben, weiß niemand von ihren Leuten, wohin genau sie unterwegs waren. Immerhin waren sie dumm genug, keine Verstärkung zu holen und uns dann erst anzugreifen. Das würde uns einen Vorsprung verschaffen.«
»Der Briganter?«
»Er hatte keine Chance. Im Anschleichen, wenigstens, waren sie gut.«
»Was machen wir jetzt?«
»Wir finden den Weg auch ohne ihn. Wir brechen sofort auf. Pack alles zusammen! Inzwischen sehe ich zu, dass ich ihre Pferde finde. Vielleicht haben sie einen der ihren dort als Wache zurückgelassen, dann schaffe ich ihn aus dem Weg, ehe er uns verraten kann. Ansonsten nehmen wir zwei von ihren Pferden und schonen erst einmal unsere.«
»Vielleicht hatten sie gar keine Pferde dabei?«
»Sie rochen nach Pferd.« Atharic befühlte seine Wange. »Glaub mir, ich war ihnen nahe genug.«
In fliegender Hast packte Talia die Decken zusammen und sattelte die Pferde. Es dauerte nicht lange, bis Atharic zurückkehrte, ein kleines Pony am Zügel führend. »Die anderen taugten nichts. Du nimmst das hier, ich das des Briganters. Wenn wir Glück haben, halten sie bis Mittag durch, dann können wir auf unsere wechseln.«
»Glaubst du, man wird
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