Der Fluch der Druidin
uns folgen?«
»Darauf kannst du wetten!«
Tief über die Hälse ihrer Reittiere gebeugt, brachen sie auf. Atharic wäre gerne schneller geritten, doch es war noch zu dunkel und neblig, und so kamen sie nur im Schritt voran. Eine Zeitlang ging es parallel zum Hang dahin. Obwohl sie nicht weit sehen konnten, wussten sie, dass sie sich unaufhaltsam der Schlucht näherten, die sie großzügig zu umgehen trachteten. Atharics größte Angst war, dass sie den Weg versperrt vorfinden würden, ins Tal ausweichen und dort womöglich in die Schlucht hineingetrieben würden, aber er sprach seine Befürchtungen nicht laut aus. Anschließend ging es wieder leicht bergab, sie gerieten von Wald auf Wiesen. Nachdem sie ein flaches Flussbett durchquert hatten und die steile Wand, die den Eingang zur Schlucht markierte, zu ihrer Linken verschwand, führte der Weg abermals nach oben. Mittlerweile hatte der Himmel im Osten den Sonnenaufgang verkündet. Es war hell geworden. Die Schlucht lag irgendwo unter ihnen, Wald schützte sie vor suchenden Blicken, und der Pfad entsprach vollends der Beschreibung, die ihm der Briganter gegeben hatte. Atharic atmete etwas auf.
Kurz bevor sie den steilsten Aufstieg, bei dem sie die Pferde am Zügel führen mussten, in Angriff nahmen, begann es zu regnen. Die Bergponys zeigten sich unbeeindruckt vom Wetter, dem abschüssigen und rutschiger werdenden Untergrund und setzten in stoischer Ruhe einen Fuß vor den anderen. Talia trottete mit gesenktem Kopf neben ihnen her, eine Hand in die Mähne ihres Pferdes gekrallt, und bemühte sich, Hunger und Nässe zu ignorieren. Irgendwann legten sie eine kurze Pause ein, dann ging es weiter bergauf, über Wiesen und an Felsen vorbei, wenn auch der Regen zu dicht war, um viel erkennen zu können. Talias Herz schlug so kräftig in ihrer Brust, bis sie meinte, es wolle heraushüpfen. Der Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, überlagerte fast ihr lautes Atmen, mit dem sie sich in engen Kurven immer höher kämpfte. Es wurde kälter, aber solange sie in Bewegung blieben, würden sie nicht frieren. Außerdem stammte die Feuchtigkeit unter ihren Umhängen genauso sehr von ihrem eigenen Schweiß wie von der Nässe, die sich durch die verfilzte Wolle ihrer Mäntel kämpfte. Schließlich ließ die Steigung nach, sie konnten wieder aufsitzen, während sich ihr Weg zunächst parallel zum Berg fortsetzte. Mittlerweile war Mittag vorbei, der Regen ließ nach, und Atharic drängte die Ponys in holprigen Trab. Unter sich sahen sie eine Ansammlung von Häusern, von denen Rauch aufstieg, aber das Wetter und der Höhenunterschied schützten sie vor den Sinnen der Bewohner, und so ließen sie sie unbemerkt hinter sich. Nach einer weiteren kurzen Pause beschlossen sie, die Pferde zu wechseln und die beiden Tiere, die sie bis dahin geritten hatten, zurückzulassen. Ihre eigenen Bergponys wirkten noch erstaunlich frisch, viel heiterer als ihre Reiter und trugen sie zügig in Richtung Tal.
»Meinst du, wir haben sie abgehängt?«, fragte Talia am Abend, als sie unter einer überhängenden Felswand, an die sich Fichten schmiegten, Schutz suchten.
»Vielleicht. Die Suaneten werden nicht einmal sicher sein, ob wir überhaupt die Schlucht umrundet haben. Der Regen heute war ein Glücksfall. Er hat all unsere Spuren verwischt.«
»Sollen wir uns mit der Wache abwechseln?«
Atharic überlegte einen Moment lang. »Wir sollten so viel Schlaf bekommen wie möglich. Wir brechen morgen wieder in der frühesten Dämmerung auf. Gestern haben sie uns wahrscheinlich schon am Abend, noch bei Tageslicht, entdeckt. Heute glaube ich kaum, dass uns jemand beobachtet hat, wie wir hier unser Lager suchten. Außerdem wird der Regen stärker, und der Wind frischt auf, hörst du? Ich denke, wir sind sicher heute Nacht.«
Atharics beruhigenden Worten zum Trotz schreckte Talia in der Nacht schon beim leisesten Geräusch hoch. Um Mitternacht gewitterte es, danach hörte der Regen auf, dafür wurde es kälter, und Talia streckte ihre Füße zu Atharics, um sie zu wärmen. Es war ihnen gelungen, ihre in Leder eingeschlagenen Decken tagsüber trocken zu halten, doch die Mäntel waren feucht, und Talia wünschte sich, sie hätten ein Feuer entfachen können. Als sie einmal aufstand, um sich zu erleichtern, glaubte sie, Stimmen zu hören, und weckte Atharic. Gemeinsam lauschten sie in die Dunkelheit, vernahmen allerdings nichts mehr. Sobald der Morgen dämmerte, brachen sie auf und ritten zügig weiter, am Rande
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