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Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lemony Snicket
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Der optische Effekt war auffallend ähnlich.
    » Du hast Einbruchskleidung in deinem Koffer«, zischte sie. » Warum trägst du sie nicht? Wir wollen schließlich keine Aufmerksamkeit erregen.«
    » Dann hätten Sie vielleicht woanders parken sollen«, sagte ich und zeigte auf den Roadster.
    » Schrei nicht so rum«, sagte sie. » Du weckst das ganze Haus auf.«
    Am wenigsten schreit man, wenn man gar nichts mehr sagt, was gleichzeitig eine gute Methode ist, um Streit mit jemandem zu vermeiden. Ich machte Theodora ein Zeichen, und wir schlüpften ins Haus und erklommen die Wendeltreppe, Theodora, indem sie sich dicht an der Wand entlangschob und den Kopf abwechselnd nach rechts und nach links riss, und ich, indem ich ging wie sonst auch. Ich führte sie in die Nachrichtenredaktion, zog das Laken beiseite und zeigte auf die Statue der Bordunbestie. Sie bedeutete mir, dass ich sie an mich nehmen solle. Ich bedeutete ihr, dass sie die Mentorin und Anführerin dieser Eskapade sei. Sie bedeutete mir, dass ich nicht herumdiskutieren solle. Ich bedeutete ihr, dass ich derjenige sei, der uns überhaupt erst Zutritt zum Haus verschafft habe. Sie bedeutete mir, mein Vorgänger habe schnell begriffen, dass man als Praktikant nicht maulte oder mit seiner Mentorin herumdiskutierte, und ich solle ihn mir gütigst zum Vorbild nehmen. Ich bedeutete ihr, dass ich gern gewusst hätte, wofür das S in ihrem Namen stand, und sie bedeutete mir etwas extrem Ungehöriges, und ich griff nach der Statue und steckte sie mir unters Hemd. Sie war leichter, als ich gedacht hatte, wodurch ich mich gleich weniger wie ein Einbrecher und mehr wie jemand fühlte, der einen Gegenstand einfach von A nach B trug.

    Ich öffnete das Fenster und tastete in der Dunkelheit unter mir herum, bis ich die Trosse rau und kalt an meiner Handfläche spürte. Dadurch fühlte ich mich wieder mehr wie ein Einbrecher. Ich hielt sie für Theodora fest, bis sie mit beiden Händen daranhing, und ließ mich dann selbst hinunter. Das Fenster konnte ich auf diese Weise nicht mehr hinter uns zumachen, aber ich nahm an, dass Moxie das besorgen würde, wenn sie aus ihrem Versteck kam. Ob sie uns wohl zusah?, fragte ich mich, als wir uns die Trosse entlang auf das Herrenhaus im Talgrund zuzuhangeln begannen. Welch seltsame Silhouetten wir abgeben mussten vor dem runden weißen Mond. Das Zischeln des Klausterwaldes wurde leiser, je weiter wir uns von ihm weghangelten, und die stille Nachtluft füllte mir die Kehle. Es war nicht so schwindelerregend hoch, wie ich mir vorgestellt hatte, und die Trosse schwankte kaum. Im Mondlicht sah ich die Bäume unter uns, ihre dünnen Äste ineinandergefaltet wie Schnürsenkel an einem Schuh, ihre Blätter verloren und klamm. Ich sah das kleine weiße Häuschen, in dessen einem Fenster etwas blinkte– irgendein kleiner Gegenstand, der das Mondlicht spiegelte. Was ich nicht sah, war die Kerze, die Theodora mir angekündigt hatte, als Signal, dass die Luft rein war.
    » Snicket«, sagte Theodora, » jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um mir eine Frage zu stellen.«
    Ich probierte es mit: » Warum?«
    » Weil ich leichte Höhenangst habe«, antwortete sie, » und die Fragen eines Praktikanten zu beantworten ist immer eine gute Ablenkung.«
    » Also schön.« Ich überlegte einen Moment. » Meinen Sie, die Diebe der Statue haben denselben Weg genommen wie wir?«
    » Unbedingt«, sagte Theodora. » Die Mallahans haben sich an der Trosse heruntergehangelt, sich die Statue geschnappt und sind auf ebendiesem Weg wieder zurückgekehrt.«
    » Aber hatten Sie nicht gesagt, sie wären durch den kleinen Salon hineingelangt«, sagte ich, » indem sie ein Loch in die Decke gesägt und den Rest der Schwerkraft überlassen haben?«
    » Das war eine frühe Theorie von mir, richtig«, sagte Theodora, » aber immerhin hatte ich zur Hälfte recht: Die Schwerkraft spielt eine tragende Rolle. Wir täten uns viel schwerer, wenn wir die Trosse bergauf benutzen würden statt bergab.«
    Das stimmte– es wäre viel schwieriger gewesen, uns den Hügel hinaufhangeln zu müssen. Andererseits hatte sie auch gesagt, dass die Diebe zurück denselben Weg genommen hatten wie hin. Aber darüber mit meiner Mentorin zu diskutieren wäre wohl kaum die Ablenkung gewesen, die sie sich vorstellte. Es gab ein Fachwort für Höhenangst, das wusste ich, nur fiel es mir nicht ein. Soundsophobie. » Und wie, glauben Sie, sind die Diebe in das Haus hineingelangt?«
    » Natürlich durch eins

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