Der Fluch der falschen Frage
den Wasserdruck ausgleichen«, sagte ich.
Moxie starrte kritisch in ihre Maske. » Von wem hast du das denn gehört?«
» Von S. Theodora Markson«, sagte ich. » Woher hast du das mit der Salzlunge?«
» Irgend so ein Verein hat eine Broschüre herausgegeben.« Moxie zeigte in Richtung der überquellenden Schublade. Wir setzten unsere Masken auf und sahen einander an. » Ich rede nicht gern durch dieses Ding«, sagte sie. » Wollen wir lesen, bis Entwarnung gegeben wird?«
Ich und meine Maske nickten, und Moxie ging voraus in ein kleines Zimmer mit Bücherregalen an sämtlichen Wänden. In der Zimmermitte warf eine große Bodenlampe einen hellen Lichtkreis. Ihr Schirm war mit einem Motiv verziert, das mir langsam, aber sicher zum Hals heraushing. Davor standen zwei tiefe Sessel, der eine mit einem schweren Stoß maschinenbeschriebener Seiten vollgepackt, der andere umringt von dicken, deprimierenden Bänden über den Niedergang der Zeitungsindustrie und die Schwierigkeiten, eine Tochter ganz allein großzuziehen. Auf dem Teppich waren noch Abdrücke zu erkennen, wo offensichtlich einmal ein dritter Sessel gestanden hatte. Moxie setzte sich in ihren Sessel, nahm ihre Schreibmaschinennotizen auf den Schoß und forderte mich auf, mir etwas auszusuchen. Das Buch, an das ich geriet, entspannte mich in keiner Weise. Die Geschichte spielte in einem sehr großen Wald mit einem kleinen Haus darin, in dem eine mittelgroße Familie wohnte, die alles selbst machte. Als Erstes machten sie Ahornsirup. Dann machten sie Butter. Dann machten sie Käse, und ich klappte das Buch zu. Es schien interessanter, über eine Statue nachzudenken, die gestohlen werden musste, und über eine Trosse in schwindelerregender Höhe, die mein Fluchtweg ins Tal sein sollte. » Interessant« ist ein Wort, das hier so viel bedeutet wie, dass ich einen ziemlichen Bammel hatte. Ich ging zum Fenster und versuchte abzuschätzen, wie weit es vom Leuchtturm bis zum Herrenhaus war, aber die Sonne war längst untergegangen, und draußen war es so schwarz wie die Bordunbestie selbst. Kein sehr lohnender Ausblick, aber ich starrte trotzdem eine lange Zeit hinaus. Schließlich ertönte von der Insel das Signal zur Entwarnung, und ich setzte meine Maske ab und merkte, dass Moxie hinter ihrer eingeschlafen war. Ich nahm sie ihr ab, fand eine Decke, die ich über sie breitete, und kehrte zu meinem Starren zurück. Ich dachte, wenn ich nur konzentriert genug starrte, könnte ich vielleicht die Lichter der Hauptstadt sehen, die so unerreichbar weit weg lag. Das war natürlich Unsinn, aber warum darf man nicht ab und zu aus dem Fenster starren und Unsinn denken, solange es der eigene Unsinn ist?
Wenig später schlug die Uhr zwölfmal, aber nicht laut genug, um das Tuckern von Theodoras Roadster zu übertönen. Moxie rührte sich nicht, also schüttelte ich sie leicht an der Schulter, bis sie zu blinzeln begann.
» Ist es so weit?«, fragte sie.
» Es ist so weit«, sagte ich, » aber du tätest mir einen großen Gefallen, wenn du ins Bett gehen würdest.«
» Um den ganzen Spaß zu verpassen?«, sagte sie. » Vergiss es, Lemony Snicket.«
» Du hast selbst gesagt, dass hier etwas im Gange sein muss, von dem wir nichts wissen«, sagte ich. » Es könnte etwas Gefährliches sein.«
» Aber auf jeden Fall etwas Interessantes«, sagte Moxie, » und ich habe vor, alles darüber herauszufinden.«
» Moxie, wir können nicht bei dir einbrechen, wenn du danebenstehst und zuschaust. Versteck dich wenigstens.«
Sie stand auf. » Wo?«
» Du bist in diesem Leuchtturm aufgewachsen«, sagte ich. » Du kennst die besten Verstecke.«
Sie nickte, nahm ihre Schreibmaschine und verließ das Zimmer. Ich löschte das Licht und öffnete dann die Haustür. Der Roadster parkte vor dem Leuchtturm, aber von Theodora war nichts zu sehen. Ich lief ein paar Schritte hinaus und rief ihren Namen.
Meine Mentorin löste sich aus dem Nachtdunkel und huschte geduckt über den Boden. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt schwarze Leggings, einen schwarzen Rollkragenpullover, schwarze Gymnastikschuhe und eine kleine schwarze Augenmaske. Ihre Haarmähne war mit einem Wust schwarzer Bänder umwickelt, und sie hatte sich das Gesicht mit etwas Schwarzem beschmiert, um besser mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Ich hatte einmal eine Katze gesehen, die einen Schornstein von innen hochzuklettern versuchte, nur um sofort rußbedeckt wieder herunterzuplumpsen und die Wohnzimmermöbel zu ruinieren.
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