Der Fluch der falschen Frage
es ist«, sagte ich schließlich. » Angeblich ist es sehr viel Geld wert.«
» Und dieses Geld bekommst nun du«, sagte sie, » zum Lohn, dass du sie gestohlen hast?«
» So ungefähr.« Ich hielt mich bedeckt wie versprochen.
» Warum hast du dich dann in den Baum fallen lassen?«
» Etwas ist schiefgelaufen«, sagte ich.
» Was denn?«
» Das müsstest du besser wissen als ich«, sagte ich. » Du hast mich doch die ganze Zeit beobachtet.«
In der Kaffeekanne begann es zu gurgeln und zu blubbern, und Ellington nahm sie vom Feuer und stellte sie auf den Tisch, dann holte sie von dem Bord über der Spüle zwei Tassen und zwei Untertassen. Sie schenkte beide Tassen voll und ließ sie ein Momentchen vor uns auf dem Tisch dampfen. Der Dampf erfüllte den Raum, zusammen mit der merkwürdigen, ruckhaften Musik. Vor dem Fenster war es dunkel, aber bei Tag, das wusste ich, hätten wir über den ganzen weiten Klausterwald blicken können. Ellington zog ein Kissen vom Bett und hockte sich damit auf den Boden, ehe sie antwortete.
» Woher weißt du, dass ich dich beobachtet habe?«, fragte sie gedämpft.
» Ich habe in einem Fenster etwas blinken sehen«, sagte ich, » genau dort, wo der Feldstecher liegt. Du hast mich und meine Verbündete den ganzen Weg über beobachtet. Warum?«
» Ich beobachte dieses Areal schon seit Tagen«, sagte sie und nippte an ihrem Kaffee. Ich rührte meinen nicht an. Nicht weil ich fürchtete, sie könnte Laudanum hineingeschüttet haben, sondern einfach weil ich keinen Kaffee mochte. Nicht einmal den Geruch mochte ich, so dunkel und morastig. Ellington dagegen lächelte ein bisschen beim Trinken.
» Und was suchst du?«, fragte ich und zeigte auf die Bordunbestie. » Das hier?«
Sie setzte ihre Tasse ab und schnitt der Bestie eine Grimasse. Die Bestie fletschte die Zähne. » Ich suche etwas viel Wichtigeres als irgendwelche nutzlosen Statuen«, sagte sie. » Ich suche meinen Vater.«
» Was ist mit ihm?«
Sie stand auf. » Jemand hat ihn entführt– irgendein grauenvoller Mensch. Mein Vater und ich haben zusammen im Neuntötertal gewohnt, ein ganzes Stück weg von hier.«
» Ich habe davon gehört.«
» An sich kein schlechter Ort«, sagte Ellington, » aber irgendetwas war im Gange, was meinen Vater beunruhigte, das habe ich gemerkt. Und dann kam ich eines Tages von der Schule nach Hause, und mein Vater war nicht da. Er kam auch nicht zum Abendessen, und er kam nicht zur Schlafenszeit, und am Morgen rief ein Mann an. Er sprach mit furchtbar unheimlicher Stimme. Er sagte, sein Name sei Brandhorst, und ich würde meinen Vater nie wiedersehen. Das ist jetzt ein halbes Jahr her. Ich habe ununterbrochen nach ihm gesucht, und langsam glaube ich, dass Brandhorst die Wahrheit gesagt hat.« Sie ging zum Bett und zog einen chaotischen Packen von Notizblöcken, Zeitungen, Kuverts und Paketen darunter hervor. » Ich tue nichts anderes mehr«, sagte sie. » Ich bin jeder Fährte gefolgt, die ich nur finden konnte. Ich habe Dutzende von Leuten befragt. Ich bin Hunderten von Gerüchten nachgegangen. Ich habe Briefe und Telegramme geschrieben, Telefonate geführt und Besuche gemacht. Ich habe unzählige Pakete an Leute geschickt, die er kannte– die meisten haben das Neuntötertal nach dem Hochwasser verlassen. Ich schicke ihnen Fotos von meinem Vater, Kopien von Artikeln, die er geschrieben hat, alles, was für einen Anhaltspunkt gut sein könnte. Und jetzt habe ich gehört, Brandhorst soll sich hier in Schwarz-aus-dem-Meer versteckt halten.«
» Da wäre er am richtigen Platz. Mehr Verstecke als in diesen verlassenen Gebäuden hier findet er nirgends.«
» Genau. Und deshalb wohne ich seitdem in diesem Häuschen und hoffe auf irgendeine Spur von ihm. Denn wenn ich Brandhorst finde, dann finde ich auch meinen Vater, das weiß ich.«
» Aber dieser Brandhorst wird ihn nicht einfach herausrücken, oder?«
» Nein.«
» Was willst du also tun?«
» Was immer es erfordert«, sagte sie, und mich schauderte ein bisschen, als ich es hörte. Es war eine überlegte Antwort. Es war nicht einfach nur dahingesagt wie die meisten Äußerungen der meisten Menschen.
» Und warum sollte Brandhorst deinen Vater entführen?«, fragte ich sie.
» Das ist ja das Rätselhafte an der Sache«, sagte Ellington und schenkte sich Kaffee nach. » Mein Vater hat niemandem etwas zuleide getan. Er ist die Ruhe und Freundlichkeit in Person.« Zwei Tränen rollte aus ihren Augen, die sie mit dem glatten schwarzen
Weitere Kostenlose Bücher