Der Fluch der falschen Frage
Wäscherin gewohnt«, sagte Ellington, als sie meinen Blick sah. » Sie hat hinten im Garten immer das Weißzeug flattern lassen, und das hat dem Haus seinen Namen gegeben.«
» Wer wohnt hier jetzt?«, fragte ich.
» Nur ich«, sagte sie und öffnete die Tür. Das Haus bestand aus einem einzigen kleinen Zimmer, und dieses Zimmer schien zum größten Teil aus einem Kamin zu bestehen, dessen bunte Flammen alle Winkel erleuchteten. Das Feuerprasseln vermischte sich mit der Musik im Zimmer, einer Musik, wie ich sie noch nie gehört hatte, die mir aber auf Anhieb gefiel. In der hinteren Ecke stand ein Feldbett mit ein paar zerwühlten Decken und Kissen, und auf dem Fußboden davor lag aufgeklappt ein großer gestreifter Koffer, aus dem Kleidungsstücke aller Art quollen. Mein Blick fiel auf ein langes, extravagantes Abendkleid, klobige Wanderschuhe, eine Schürze wie von einem Koch, eine rote Perücke, ein wurstförmiges grünes Reißverschlussgebilde, das wahrscheinlich als Handtasche diente, und zwei schmutzige, abgestoßene, himbeerrote kleine Hüte, wie ich sie Franz os en auf alten Fotografien hatte tragen sehen. In der Ecke g ege nüber waren ein kleines Spülbecken und ein niedriger, vollständig leer geräumter Holztisch mit einem einzelnen Schemel darunter. Auf einem Fensterbrett lag ein verkratzter Feldstecher, und auf dem Boden in der Zimmermitte stand ein Kasten mit einer Kurbel an der Seite und einem Trichter obendrauf. Es dauerte ein bisschen, bis ich begriff, dass das ein altmodischer Plattenspieler war und dass aus dem Trichter die ungewohnte Musik kam. Die Musik klang schwierig und reizvoll, und ich hätte gern gewusst, wie das Stück hieß. Bücher gab es in dem Raum keine, soweit ich sehen konnte. Das hätte mir zu denken geben müssen.
» Setz dich«, sagte Ellington und zeigte auf den Schemel. » Ich koche uns einen Kaffee. Das dürfte aufbauend wirken.«
» Kaffee?«, fragte ich mit lauterer, höherer Stimme als beabsichtigt. » Ich trinke keinen Kaffee.«
» Was trinkst du dann?«
» Wasser«, sagte ich. » Tee. Manchmal Milch. In der Früh Orangensaft. Wurzelbier, wenn ich welches kriege.«
» Aber keinen Kaffee?«
» Leute in unserem Alter trinken normalerweise keinen Kaffee«, sagte ich.
» Leute in unserem Alter lassen sich auch nicht in Bäume fallen«, sagte Ellington. » Wir haben wohl beide eine unorthodoxe Erziehung genossen.«
Ich zog mir den Schemel heran und setzte mich darauf, während Ellington am Spülbecken mit einer metallenen Kaffeekanne hantierte– sie ausschwenkte und dann mit Wasser füllte, bevor sie aus einer Papiertüte, die mit einer schwarzen Katzensilhouette bedruckt war, mehrere Messlöffel gemahlenen Kaffee dazugab. » Gatto Nero Caffè«, erklärte sie. » Ecke Caravan und Parfait. Das ist eines der letzten Geschäfte, die es in Schwarz-aus-dem-Meer noch gibt, und fast der einzige Grund, warum ich überhaupt noch in die Stadt gehe.« Sie seufzte. » Die meiste Zeit sitze ich einfach hier.«
» Und was macht du hier?«, wollte ich wissen.
Sie lächelte kurz. » Erst du«, sagte sie. » Warum fliegst du mitten in der Nacht durch die Luft?«
Ich langte unter mein Hemd und stellte die Bordunbestie auf den Tisch, fester als nötig, so dass es dumpf klack machte. Ellington sah flüchtig hin und griff nach einer rostigen Eisenzange, wie man sie zum Scheitewenden verwendet. Sie hob damit die Kaffeekanne auf und stellte sie zwischen die Flammen, ehe sie wieder zu mir sah.
» Was ist das?«, fragte sie. » Irgendein Spielzeug?«
Zum ersten Mal betrachtete ich die Statue in Ruhe. Die Bordunbestie ähnelte nach wie vor einem Seepferd, soweit man sich ein Seepferd als ein böses, tückisches Tier denken kann. Die Augen der Statue waren von nahem besehen kleine Löcher wie auch das Maul mit seinen zurückgezogenen Lefzen und den winzigen scharfen Zähnen, die sich in dünnen Reihen über leerer Luft wölbten. Die ganze Statue war hohl, merkte ich, und einen Moment lang stellte ich sie mir über eine Kerze gestülpt vor, so dass der Feuerschein schaurig zu Augen und Maul herausflackerte. Ich drehte sie um und untersuchte die Unterseite der Statue. In das Holz dort war ein seltsamer Schlitz geschnitten, den jemand mit einem kleinen, dicken Papierflicken überklebt hatte. Der Flicken fasste sich komisch an wie die Papierhüllen von Keksen in der Bäckerei. Ich schüttelte die Statue, um festzustellen, ob etwas darin war, aber es klapperte nichts. » Ich weiß nicht, was
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