Der Fluch der Finca
wieder etwas um
das Haus schleichen und versuchen, ins Innere zu spähen. Nur würde sie dieses Mal
nicht hier sein.
Mit einem Gefühl der Erleichterung wandte sie sich um und ging zum wartenden Taxi.
Die Fahrtzeit in die Innenstadt von Palma dauerte in etwa genauso lange, wie die Fahrt
vom Flughafen zur Finca. Die Straßen waren frei und Michelle ließ zuerst die Landschaft
und später die Straßen von Palma an sich vorbeiziehen. Sie dachte darüber
nach, dass sie in nächster Zeit vermutlich eine Menge Geld in Palma ausgeben würde.
Sich die Nächte in einem Club um die Ohren zu schlagen, würde sicher kein billiges
Vergnügen werden, selbst wenn sie nicht vorhatte, viele Drinks zu bestellen. Da sie
aber in den letzten Monaten kaum Geld ausgegeben hatte und die finanzielle Entschädigung
der Army für den Tod ihres Mannes üppig ausgefallen war, würde das kein
Problem darstellen.
Neben den einhunderttausend Dollar Sterbegeld und den vierhunderttausend Dollar aus
der obligatorischen Lebensversicherung für US-Soldaten bekam Michelle immer noch
den auf drei Jahre festgelegten Zuschuss für die Miete und natürlich die gut eintausend
Dollar monatliche Grundleistung für Soldatenwitwen. Geld war also im Überfluss vorhanden.
War das der Wert eines Lebens? Ein paar hunderttausend Dollar? Michelle sah
ein, dass es müßig war, sich diese Frage zu stellen. Wenigstens war sie sicher, dass
Harry froh wäre, sie so gut versorgt zu sehen.
Das „El sol de la noche“ lag in El Terreno dem malerischen Treppenviertel Palmas, in
dem es zahlreiche Bars und Diskotheken gab. Dorthin würde sie sich später fahren
lassen.
Vorerst ließ sich aber im Zentrum, nahe der Kathedrale von Palma absetzen. Die
Gegend hatte sie bereits mit Keith erkundet und sie erinnerte sich an ein nettes kleines
Restaurant in einer Seitenstraße unweit von dort, wo sie sich hatte absetzen lassen. Sie
und Keith hatten sich vorgenommen, es demnächst einmal auszuprobieren. Nun würde
sie es eben allein in Augenschein nehmen.
Das Essen dort war vorzüglich. Sie hatte sich eine klassische Paella bestellt, wie Touristen
es halt machten, wenn sie zum ersten Mal auf der Insel waren. Die anderen
Gerichte auf der Karte konnte sie in den nächsten Tagen ja nach und nach probieren.
Dazu trank sie Mineralwasser. Alkohol in Form von exotischen Cocktails würde sie
später sicher noch genug zu sich nehmen, auch wenn sie sich vornahm, es nicht zu
übertreiben. Sie wollte lieber die Kontrolle behalten. Als alleinstehende Frau ohne
Begleitung in einem Nachtclub konnte das nur von Vorteil sein.
Mit dem Essen, einem anschließenden Espresso und einem ausgedehnten Bummel
durch die Altstadt verging die Zeit bis zehn Uhr wie im Flug.
Es gab so viel zu sehen, dass sie bestimmt eine Woche lang jeden Abend durch die
Stadt wandern könnte, ohne dass ihr langweilig werden würde.
Als es gegen neun Uhr dunkel wurde, erwachte ein anderes Palma zum Leben. Die
Leuchtreklamen gingen an, die Kathedrale erstrahlte erhaben im Licht der Scheinwerfer
und der Lärm aus den Bistros, Restaurants und Bars wurde lauter und ausgelassener.
Jetzt, gegen zehn Uhr, war auch Michelle von diesem allgegenwärtigen Gefühl der
Leichtigkeit ergriffen und sie beeilte sich, ein Taxi zu finden, dass sie nach El Terreno
bringen konnte.
Die Fahrt ging nach Westen. Wie die Pioniere, die im Westen die Freiheit und das
Glück suchten, ging es Michelle durch den Kopf.
Sie fühlte sich auch wie eine Pionierin und Entdeckerin. So verwegen wie jetzt hatte sie
sich nie zuvor gefühlt. Die Energie des nächtlichen Palma pulsierte bereits in ihren
Adern, als der Wagen vor dem Club hielt.
„El sol de la noche“ prangte es in geschwungener, blauer Neonschrift an der Fassade
über dem Eingang. Draußen standen Tische, an denen sich die Raucher aufhielten und
von drinnen dröhnten die Bässe der Musik hinaus auf die Straße.
Natürlich war um diese Uhrzeit noch nicht der Höhepunkt erreicht, aber die Stimmung
wirkte trotzdem wild, exotisch, exklusiv und alles versprechend.
Vor der Tür hatte sich eine Schlange gebildet. Der Laden verfügte über einen Doorman,
der die Feierwilligen selektierte und mehr von ihnen wieder wegschickte, als er hineinließ.
Michelle
erinnerte sich an Juanitas Worte: Ich lasse dich von Jake auf die Gästeliste
setzen. Sag´ einfach, du bist Michelle Penn und kommst auf Empfehlung von Juanita
Tirado.
Sie wurde trotzdem immer nervöser, je
Weitere Kostenlose Bücher