Der Fluch der Halblinge
denen. Sollen sie über dich lachen, weil ein kleiner Kerl wie du dafür nicht geschaffen ist? Ich bin auch klein und gebe nicht auf! Zeig es ihnen! Du und ich, wir stehen das durch.«
Energisch rückte er sich im Sattel zurecht, fest entschlossen, dem Tier zu beweisen, dass er der Stärkere und Vernünftigere war. Darüber vergaß er sogar die Übelkeit erregende Luft und die scheußliche Umgebung.
Ein Schrei zerriss die Luft, und darauf reagierten alle Pferde. Selbst Tuagh vorn konnte nicht verhindern, dass sein Hengst wiehernd stieg, und hielt ihn nur mit Mühe. Alle Pferde drehten sich auf dem Hufschlag, schlugen mit den Köpfen und buckelten, stachelten sich gegenseitig auf.
Fionn biss sich die Lippe blutig und konnte sich gerade noch halten, als sein Pony abrupt wendete. Es stand nun Auge in Auge mit Valnirs Pony, das ebenfalls klatschnass vor Panik war. Valnirs Miene war verzerrt vor Anstrengung, und selbst die Elben hatten kaum mehr Gewalt über ihre Tiere und waren deutlich ungehalten.
»Vorwärts!«, befahl Tuagh und hieb die Fersen in die Flanken des Hengstes. »Gerade voran, los!« Seine Stimme war nicht laut, aber sehr scharf, und er gab nicht nach, immer wieder trieb er den bockenden, rückwärts gehenden Hengst nach vorn. Dann, endlich, gehorchte das Tier, und Morcants Pferd wurde dadurch beruhigt und schloss sich an. Sie gingen sehr schnell und raumgreifend. Da wollte Allsvartur nicht nachstehen und zockelte hektisch hinterher, und so folgten auch die anderen drei Pferde.
Fionn fragte sich, was das für ein schauerlicher Schrei gewesen war; er hatte nicht nach einem Tier geklungen, nach überhaupt nichts, das er kannte. Er seufzte fast erleichtert auf, als der Weg steil bergauf einen Hügel hinan ging. Das würde den Pferden wegen der Anstrengung einigermaßen die Anspannung nehmen. Falls sie deswegen nicht erst recht durchgingen.
Doch es klappte; links und rechts standen dornige Büsche, die nicht gerade zum Ausscheren einluden, Tuagh hielt seinen Hengst in scharfer Parade, und die anderen mussten sich dem anpassen. Nach den ersten zwanzig Schritten fingen sie dann an zu schnauben und zu prusten, es wurde nun doch anstrengend, und allmählich gingen die Köpfe nach unten. Es war nicht leicht, auf dem unebenen, weichen Boden nach oben zu stapfen, immer wieder sanken sie tief ein und mussten die Beine hochheben. Kein Pferd hatte noch die Zeit, sich über irgendetwas aufzuregen, sie kämpften alle darum, nach oben zu kommen.
Oben angekommen, zitterten und schäumten sie und atmeten schwer, sodass Tuagh anhielt. Er sah sich um und deutete dann links nach unten.
»Das war es«, sagte er.
Fionn traute seinen Augen kaum, und noch weniger dem, was der Wind jetzt von dort unten zu seiner Nase herauftrug.
Zum ersten Mal in seinem Leben erblickte er Oger. Riesenhafte grünhäutige, schwarz behaarte Gestalten, die zumeist ärmellose Lederhemden und Lederschurze trugen, dazu breite Gürtel, in denen ungewöhnlich gearbeitete Äxte und andere Schlagwaffen steckten. An den Füßen hatten sie kurze, mit Fellen umwickelte und von Schnüren gehaltene Lederstiefel.
Es mochte ungefähr ein Dutzend sein, das sich um einen riesigen Holzhaufen scharte, mit einem Baumstamm in der Mitte, an den einer der ihren gefesselt war.
Fionn erkannte die heraufschallende Stimme sofort wieder; er war es, der vorhin geschrien hatte. Wahrscheinlich, als ihm einer seiner Artgenossen eine Stichwaffe in die Seite gerammt hatte, denn er blutete aus einer frischen Wunde.
»Aber das is’ doch alles nur’n Missverständnis!«, rief der Gefangene. »Versteht ihr nich’, worum’s mir geht?«
Der Wind trug die Worte gut verständlich herauf; sie klangen ein wenig fremd durch eine andere Betonung und Aussprache, doch es war die allgemeine Hochsprache Albalons.
»Wir verstehn ausgezeichnet, du Abtrünniger, Verräter! Oder biste einfach nur verrückt geword’n?«
»Ich bin niemals nich’ verrückt!«, beteuerte der Gefangene. Er trug einen langen schwarzen Pferdeschwanz, seine schmalen Augen blitzten in glühendem Grün. Beim Sprechen entblößte er ein gewaltiges Raubtiergebiss, und bei geschlossenem Mund ragte aus dem Unterkiefer ein einzelner Hauer hervor. »Ich kann euch alles erklär’n!«
»Na dann erklär doch mal, wieso du das gesamte Gras um unser Dorf gefressen hast, mit dem wir unser Vieh ernähr’n, damit’s schön fett wird, bevor wir’s ess’n!«, brüllte der Oger von vorher. »Erklär uns, wieso die Bäume
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