Der Fluch der Halblinge
kalt und mit einem völlig konzentrierten Ausdruck.
Dann sah er, wie der Oger, der Valnirs Pony umgeworfen hatte, zum tödlichen Schlag ansetzte. Das kleine Pferd schrie laut vor Angst und versuchte verzweifelt, auf die Beine zu kommen.
Fionn wusste, er konnte nichts tun, nur zusehen. Hinter ihm stand zitternd Allsvartur und wieherte kläglich.
Da geschah etwas Unerwartetes.
Die Arme des Ogers sausten herab, das Pony zappelte, aber auf einmal war da ein riesiger dunkler Schatten, der mit dem Oger zusammenstieß und ihn von seinem Opfer wegschleuderte, bevor er den Hieb vollenden konnte.
»Hörste wohl auf, dich an mein’ Freunden zu vergreif ’n, du grüner Rotz, du!«, erklang eine röhrende, wohlbekannte Stimme. Blaufrost!
Offenbar ermöglichte der Nebel es ihm, sich bei Tageslicht zu bewegen, weil die Schwaden ihn vor dem direkten Sonnenlicht schützten.
Nun, nachdem Blaufrost als Verstärkung hinzugekommen war, waren die Chancen besser verteilt, und er wurde von seinen Gefährten mit Jubelschreien begrüßt.
»Was mischste dich da ein, Steinfresser?«, brüllte der Oger zurück und stemmte sich gegen den Troll.
Fionn überließ die beiden sich selbst und kroch eilig zu Valnir, der immer noch unter dem hilflosen Pony eingeklemmt lag.
»Mein Bein steckt zu fest drunter«, keuchte der Zwerg. »So ein Mist …« Er hatte einige Verletzungen davongetragen, denn er blutete, doch wirkte er hauptsächlich äußerst wütend darüber, derart außer Gefecht gesetzt worden zu sein.
Fionn griff unter seine Achseln, und mit gemeinsamen Kräften gelang es, Valnir herauszuziehen. Der Bogin schleppte den Zwerg beiseite in die Deckung eines Busches. Das Pony schwang sich herum, fand endlich Halt für seine Hufe, sprang auf und schüttelte sich.
Valnir atmete gepresst, und Fionn öffnete kurzerhand die Verschlüsse seines Harnischs, damit er besser Luft holen konnte. Erschrocken prallte er zurück, als er darunter statt harter Muskeln etwas Weiches, Warmes ertastete, und starrte Valnir völlig entgeistert an. Er begriff nicht gleich. Sein Verstand musste zuerst daran arbeiten.
»Du, äh …«, begann er dann und wurde abwechselnd rot und blass, je nachdem, ob das Blut heiß hochschoss oder wieder kalt hinabsackte. »Du … du bist ein Mädchen … «
Der Kampf war plötzlich vorbei. Die Oger, die sonst als Letzte das Schlachtfeld verließen, zogen sich aus unerfindlichen Gründen auf einmal zurück in den Sumpf. Fionn glaubte, ein Hornsignal gehört zu haben, war aber nicht sicher.
Im Gehen schüttelte der Anführer die Waffe in Richtung der Gruppe und rief: »Den Abfall da könnt ihr hab’n, er gehört euch. Aber verschwindet aus unserm Sumpf, ihr seid hier nich’ erwünscht! Morgen werd’n wa euch jag’n und fress’n, Friedensvertrach hin oder her.«
Damit verschwanden sie, und die Gefährten blieben mehr oder minder angeschlagen zurück.
»Bist du wohl still!«, zischte Valnir, rappelte sich hoch und nestelte an den Verschlüssen seines Harnisches. Er … sie … stöhnte leise. Offenbar hatte sie sich eine oder mehrere Rippen gequetscht; hoffentlich nicht gebrochen. » Mädchen , das ist eine Beleidigung.«
Fionn sank kraftlos neben sie. »Ich kapier’s nicht. Du bist wirklich eine Frau? Eine … Zwergenfrau? « Ihm schwindelte von dieser Erkenntnis.
»Tja, da kannst du mal sehen.« Valnir grinste durch den Bart hindurch.
Genau, der Bart. Fionn deutete darauf. »Ist der echt?«
»Natürlich nicht. Glaubst du ernsthaft, Zwergenfrauen haben Bärte? Das Gerücht ist nur entstanden, weil es noch andere wie mich gibt, und ab und zu fliegt eben eine von uns auf.«
»Aber … warum tut ihr das?«
»Weil es die einzige Möglichkeit ist, rauszukommen. Als Frau dürfte ich niemals ein Krieger sein, wir unterliegen strengen Beschränkungen.«
»Das ist ungerecht …«
»Du musst das verstehen.« Valnir rückte den Harnisch zurecht und tastete ihren Bart ab. Womit auch immer er befestigt war, er hielt. »Es gibt viel weniger Frauen als Männer in unserem Volk. Sie haben Angst um uns.«
Fionn kratzte sich den blonden Schopf. »Du verstehst es aber offenbar nicht.«
»Hm. Ich schwärme nun einmal für das Rittertum, und ich bin ein guter Kämpfer.«
»Das habe ich gesehen …«
»Randur Felsdonner war immer mein Held, mein großes Vorbild. Ich eiferte ihm nach. Lief von zu Hause weg, verkleidete mich, suchte seine Sippe auf, brachte ihn dazu, mich in seine Schule aufzunehmen. Er hat mich selbst
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