Der Fluch der Halblinge
mindestens zwanzig Schritte entfernt, und Cady wollte keinesfalls riskieren, dass er näher kam und am Ende doch noch alles schiefging.
Godas versuchte zu protestieren, sich gegen sie zu stemmen, aber sie blieb unerbittlich, starrte ihn streng mit zusammengepressten Lippen an und schob ihn weiter. Dicht an der Mauer entlang, in den Schatten verborgen, schlichen sie sich den Gang entlang. Keiner von beiden verursachte ein Geräusch, und Cady bemühte sich weiterhin um ihrer beider Schutz. Ihre einzige Sorge war, dass der Dunkle ihr wild schlagendes Herz hören konnte.
Der Myrkalfr drehte sich nicht zu ihnen um. Er ging weiter.
Und die beiden Flüchtlinge strebten in der entgegengesetzten Richtung auf das Licht zu.
Erst tief im Gang wagte Godas, wieder zu atmen; er musste schon kurz vor dem Ersticken sein. Cady erging es kaum besser, ihr war schwindlig, und sie zitterte. Die Aura des Schwarzalben war vergangen, vor ihnen wurde es heller. Wie es aussah, hatten sie es überstanden, gerade noch so. Der Kobold wisperte Cady zu: »Wie hast du das gemacht?«
Die junge Frau lächelte zum ersten Mal seit der Einkerkerung wieder, ein wenig schwach und zittrig, und ohne rechte Freude.
»Das ist ein Geheimnis«, antwortete sie. »Bring mich jetzt zu meinem Meister, Godas.«
»Das werde ich. Und dann sind wir quitt. Du hast mich da rausgebracht, und mehr … will ich gar nicht wissen.«
KAPITEL 14
EINER, DER GRÜN NIE VERSCHMÄHT
Sie verließen das Dorf früh am Morgen; das Fest hatte gerade erst geendet, und eine Menge volltrunkener Zecher lagen verstreut zwischen Tischen und Bänken. Wer es noch geschafft hatte, sich auf den eigenen Füßen fortzubewegen, lag in seinem Bett, oder zumindest in der Nähe davon.
»Wettbewerbe unter den Menschen sind häufig«, wiederholte Tuagh seine Worte von gestern dem immer noch erstaunten Fionn, der seit seiner Geburt unter Menschen gelebt hatte und feststellen musste, dass er keine sonderlich guten Kenntnisse über sie besaß. »Rivalisierende Dörfer, aber auch Wettstreitigkeiten darüber, wer der Stärkste ist.«
»So wie die Ritterturniere früher«, bemerkte Morcant.
»Morcant, nun mach Fionn nicht völlig verrückt mit diesen romantischen Legenden«, mahnte der Wanderkrieger.
»Es sind keine, das weißt du so gut wie ich«, erwiderte der Meersänger. »Es gab damals viele große Namen.«
»So wie Peredur?«, wollte Fionn aufgeregt wissen. Wenn ein Elb schwärmerisch von diesen Heldengeschichten sprach, musste doch etwas an ihnen dran sein! Die meisten der Fiandur hatten deutlich gemacht, dass sie an das vergangene Rittertum glaubten.
Der Elb nickte. »Er war der größte Ritter von allen.«
Tuagh lachte trocken. »Oder der größte Dummkopf, wie man’s nimmt.«
»Peredur war ihr Anführer. Und keinesfalls«, Morcant warf dem Wanderkrieger einen finsteren Blick zu, »war er der größte Dummkopf.«
»Er hat den Krieg verloren, oder nicht?« Tuagh schlang die Zügel ums Horn, zog seine Axt aus dem Schaft neben dem Sattel, legte sie über die Knie und fing an, die Waffe zu polieren. Sein Pferd zockelte brav dahin.
Morcant öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Seine feinen schwarzen Brauen zogen sich zusammen.
»Nun?« Tuagh blickte zu dem Elben hinüber. »Dem kannst du nicht widersprechen, nicht wahr? Und er verschwand. Wie alle anderen auch, die versagt haben. Es ist doch bedeutungslos, ob Peredur wegen dieser Herzsache noch leben könnte oder nicht. Keiner von ihnen ist mehr da, und die Historie wird totgeschwiegen. Sie ist überhaupt nur noch deswegen in Bruchstücken einigen wenigen bekannt, weil Alskár sie bewahrt und an uns weitergegeben hat. Und auch er hat anscheinend große Lücken in seinem Gedächtnis. Damals muss mehr passiert sein als nur der Diebstahl eines Herzens.«
Fionn zog eine verlegene Miene. Er spürte, wie sich ein Konflikt zwischen den beiden Männern aufbaute, verstand aber nicht, warum. Bisher hatte er geglaubt, sie wären Freunde, doch seit einiger Zeit schien da etwas zwischen ihnen zu schwelen.
»Warst du damals dabei?«, fragte er den Meersänger.
»Alt genug bin ich jedenfalls«, antwortete Morcant düster. »Mein Gedächtnis ist noch lückenhafter als das von Alskár. Und die Vermutung liegt nahe, dass Dubh Sùil damals mehr als nur ein Herz gestohlen hat, darin muss ich Tuagh recht geben.«
»Tiw hat gesagt, dass wir nicht wissen, ob es sich um einen Einzelnen oder eine Gruppe handelt …«
»Jede Gruppe hat einen Anführer,
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