Der Fluch der Halblinge
ringsumher kahl sind und die Büsche zum Teil ganz verschwund’n!«
»Ich hab eben großen Hunger. Ihr esst doch auch ’n Rinderviertel zu ’ner Mahlzeit!«
»Ja eben, wir ess’n, was Oger immer ess’n: Fleisch! Wieso du nich’?«
»Ich mag’s nich’.«
»Was sagste da?«
»Es schmeckt mir nich’!«, gab der Gefangene zurück. »Ich find’ Fleisch widerlich, allein schon die Konsistenz! Und diese Farbe! Seht doch lieber das Grün um uns an, so wie wir auch grün sin’! Ich liebe es!«
Nun schrien alle durcheinander; es klang wie das Donnern eines trockenen Sommergewitters. Die Pferde tänzelten nervös, waren aber noch viel zu ausgepumpt, um zu scheuen.
Die Oger beschimpften den Gefangenen als Verrückten, als Verräter, als Größenwahnsinnigen, als Grasfresser und desgleichen mehr. Der Gefangene beteuerte weiterhin seine Unschuld und bat um Nachsicht, nur weil er nicht so sei wie alle anderen. Und schließlich ginge es hier nur ums Essen, im Schädelspalten sei er schließlich erwiesenermaßen ein Meister. Daraufhin fanden sie weitere Anschuldigungen, dass er eine Schande für das stolze Volk der Oger sei, sie alle der Lächerlichkeit preisgeben würde, und welch ein alptraumhaftes Bild das wäre, ein friedlich grasender Oger neben weidenden Kühen …
Und damit zündeten sie den Holzstoß an, um den Artgenossen zu grillen, bis er gar wäre, um ihn sodann wie eine mit Gras gemästete Kuh zu verspeisen, weil die Schande nicht anders abzuwenden wäre.
Tuagh zog die Axt.
»Was hast du vor?«, fragte Morcant entgeistert.
»Ich werde ihn befreien.«
»Bist du wahnsinnig? Was geht uns das an? Das sind Oger!«
Der Wanderkrieger warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Dort unten geschieht eine große Ungerechtigkeit«, sagte er. »Das ist Lynchjustiz! Was macht es für einen Unterschied, zu welchem Volk er gehört?«
»Ganz einfach den, dass der Oger dir vor lauter Dankbarkeit den Kopf abbeißen und dein Gehirn aus deinem gespaltenen Schädel schlürfen wird!«
»Hast du vergessen, dass du ein Söldner bist?«, sprang Màni Morcant bei. »Gehört das hier zu einem Auftrag?«
»Das entscheide ich«, erwiderte Tuagh.
»Aber wir haben Fionn bei uns!«, mahnte Morcant.
»Solange er auf dem Pfad bleibt, wird ihm nichts geschehen, nicht einmal jetzt. Außerdem, wer interessiert sich schon für einen Bogin? Einen Halbling der Kleinen Völker? Die Oger wohl kaum.« Tuagh beendete die Diskussion, indem er die Axt erhob und seinen Hengst den Hügel hinunterjagte.
Fluchend folgten die Elben ihm nach; die Zwillinge holten den Bogen vom Rücken, Morcant zog das Schwert. Valnir holperte auf seinem Pony hinterher, zwei Äxte in Händen.
Und natürlich war Allsvartur allein hier oben nicht zu halten, er donnerte wiehernd nach unten, und Fionn konnte sich nur auf ihm festhalten und sich wünschen, er wäre niemals weggelaufen.
Die Oger wurden völlig überrascht, als wie ein Irrwisch plötzlich ein Mensch auf einem mächtigen Ross herangeprescht kam, sich seitlich aus dem Sattel neigte und mit einem einzigen Hieb seiner Axt die Kette des Gefangenen durchschlug. Die Flammen schlugen bereits bedenklich hoch, und der Oger hielt sich nicht lange mit Staunen auf, er befreite sich und sprang vom Holzstoß. Die Kette behielt er als Waffe, schwang sie über seinen Kopf und schleuderte sie dann gegen seine Artgenossen.
Tuagh wurde nach einem kurzen Moment der Verblüffung wütend angegriffen, doch da trafen seine Gefährten ein, verschossen Pfeile und schlugen mit Axt und Schwert zu.
Allsvartur begriff endlich, was für einen Fehler er gemacht hatte, den Artgenossen zu folgen, als er sah, wie das Pony, das Valnir trug, von einem Oger kurzerhand umgeworfen wurde. Der Zwerg wurde halb unter ihm begraben und tief in den Morast gedrückt; das Pony schlug heftig mit den Hufen aus, um den Oger von sich fernzuhalten, und wieherte grell.
Allsvartur bremste so heftig ab, dass Fionn sich nicht mehr halten konnte und in hohem Bogen über ihn hinwegflog und zwischen zwei Büschen im sumpfigweichen Moosbett landete. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen, ansonsten geschah ihm nichts.
Voller Schrecken erlebte Fionn seine erste blutige Schlacht, die noch dazu völlig aussichtslos für seine Freunde war. Nicht nur kräftemäßig, auch an Zahl waren sie hoffnungslos unterlegen. Dennoch setzten sie den mächtigen Geschöpfen kräftig zu. Fionn erschrak, als er sah, wie Tuagh mit Axt und Schwert wütete, das Gesicht
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