Der Fluch der Halblinge
wandte Rafnag ein. »Der Feind wird sie für seine Zwecke benutzen – und vor allem gegen die Völker.«
»Ich fürchte mich nicht vor dem Labyrinth«, erklärte Randur Felsdonner mit dröhnender Stimme.
»Ich auch nicht«, sagte Hrothgar.
Rafnag der Rabe schüttelte den Kopf. »Wir müssen einen besseren Weg finden, um in den Palast zu kommen«, sagte er. »Und eine Möglichkeit, wie wir ohne Umwege zur Àrdbéana gelangen. Es muss alles schnell gehen, vor allem die anschließende Flucht.«
»Und sobald sie draußen ist und in Sicherheit, werden wir Alskár informieren«, schloss Tiw und nickte heftig. »Das ist jetzt unsere Aufgabe. Wir bereiten damit auch den Weg für unsere Freunde, bis sie mit dem Buch zurückkehren.«
»Woher willst du wissen, dass sie zurückkehren werden?«, erklang Ingbars mahnende Stimme, und niemand war darüber erstaunt. »Was macht dich so sicher, dass Schwarzauge nicht längst Kenntnis von Fionns Suche hat? Ich sage euch, wir sollten den Palast meiden und vielmehr einen geheimen Widerstand in der Stadt aufbauen.«
Alle lehnten einstimmig ab. »Das kommt gar nicht in Frage!« Draca klang entrüstet und drückte Cady fest an sich. »Cady hat sich als die Mutigste und Beste von uns erwiesen. Ohne sie wüssten wir nichts und würden die Zeit bis zu unserem Untergang vertrödeln. Keinesfalls soll Cady all das umsonst auf sich genommen haben! Wir müssen diese Bestrebungen zerschlagen, noch bevor sie zur Reife gelangen! Mit jedem Tag wird Dubh Sùil mächtiger. Also gehen wir hinein und holen die Àrdbéana raus!«
»Und was wird aus unserem Volk?«, fragte Cady leise. »Dubh Sùil wird sich an den Bogins rächen.«
Tiw schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er braucht sie für seine Zwecke. Leider … kann uns nicht beides gelingen, Cady. Um die Herrscherin und unsere Leute zu befreien, dafür bräuchten wir ein schlagkräftiges Heer, das den Palast stürmt und im Handstreich einnimmt. Aber das haben wir nicht zur Verfügung, und jeder Versuch, eines aufzustellen, würde Schwarzauge sofort alarmieren. Mal ganz abgesehen davon, dass wir ohne Heerführer überhaupt nicht in der Lage dazu sind, auch nur fünfzig Soldaten zusammenzubringen.«
»Das heißt, wir müssen Opfer bringen.«
»Wie seit tausend Jahren schon. Ja.«
Ihre Lippen zitterten, aber sie nickte stumm.
Rafnag wandte sich an Meister Ian, der mit leicht zitternder Hand seinen Wein trank. »Ian, kannst du mir vielleicht den Weg in den Palast ebnen? Oder glaubst du, es ist zu gefährlich für dich?«
»Das nicht«, erwiderte der alte Gelehrte. »Allerdings wird mein Haus nach wie vor gut bewacht, und leider sind die Türen in den Palast verschlossen worden. Ohne Kontrolle kommt man nicht hinein, und ich weiß nicht, mit welcher Begründung ich vorsprechen sollte.«
»Da gäbe es schon etwas«, meinte Tiw. »Sag, du hast Neuigkeiten von deinem Sklaven Fionn Hellhaar. Oder bringe eine Beschwerde vor. Während du die Wachen ablenkst, schlüpfen wir hinein.«
Cady war ein wenig irritiert, wie formlos Tiw mit dem Meister umging. Daran musste sie sich erst gewöhnen.
»Und ich gehe mit«, äußerte sie, bevor sie über ihre Worte so richtig nachgedacht hatte. Sie merkte im selben Moment, wie verrückt das klang. Sie, eine Kämpferin? Nachdem sie glücklich war, die Gefahr überstanden zu haben, wollte sie sich gleich in die nächste stürzen? Sie nickte bekräftigend. »Ich habe mir das Recht dazu erworben.«
»Du willst eine Fiandur sein?«, fragte Tiw argwöhnisch.
»Nein. Aber ich bin jetzt so jemand wie Meister Keith Sonnenwein: eine eingeweihte Gehilfin. Und nichts und niemand wird mich davon abbringen, meinen Teil beizutragen.«
»Sie hat sich das Recht verdient«, äußerte Draca, und die meisten anderen stimmten zu. Tiw und Ingbar enthielten sich der Stimme. Cady lächelte schüchtern und erfreut zugleich.
Meister Ian zog eine unglückliche Miene. »Cady, wenn dir etwas passiert, wird Fionn außer sich sein.«
»Er wird es verstehen, denn schließlich hat er sich auch auf den Weg gemacht, wohl wissend, wie es mir ergehen würde, sollte ihm etwas zustoßen. Ich werde keinesfalls tatenlos hier herumsitzen!«
»Aber wie sollen wir zwei Bogins in den Palast schmuggeln?«
»Wir könnten uns aufteilen«, überlegte Rafnag. »Ein Teil von euch, am besten Cyneweard und Hrothgar, begleitet Meister Ian, die anderen gehen mit mir. Die Nebeneingänge können nicht alle verschlossen sein, und sie werden auch nicht
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