Der Fluch der Halblinge
noch ein Kind war. Ich erkannte ihn an den Überresten seiner Lieblingsweste, die fast nur noch aus Flicken bestanden hatte, sie ist unverwechselbar.« Sie schluckte. »Und Onkelchen Fasin droht nun dasselbe Schicksal. Ich bin sicher, dass alle alten Bogins da unten sind, die uns jemals verlassen haben, um von der Àrdbéana in den Ruhestand geschickt zu werden.«
»Das hat sie auch getan, immer«, sprach Ingbar energisch dazwischen. »Wie ihr wisst, lebte ich einst bei Hofe, bevor ich mich der Fiandur anschloss. Ich habe diese Zeremonie und die private Audienz oft genug miterlebt. Nicht im Raum natürlich, aber alles, was davor und danach geschah. Die Àrdbéana entließ die Alten, und sie wurden aus dem Palast gebracht.« Fast, als wolle er sich verteidigen, betonte er: »Ich habe es doch gesehen! Die Herrin kann das nicht wissen!«
Cady nickte. »Das meine ich eben. Ich habe euch auch aus dem Verlies noch nicht alles berichtet. Da gibt es etwas, das ihr auch noch erfahren müsst.« Sie erzählte nun davon, wie die Bogins mal von Menschen mal von Elben zum Verhör geholt worden waren, und dass diejenigen, die von den Elben befragt wurden, verstört und stark geschwächt zurückkehrten.
Sie räusperte sich in das entstandene Schweigen hinein. Keiner wollte die ungeheuerliche Schlussfolgerung ziehen. Also lag es an ihr.
»Ich glaube«, drückte sie mit leiser, aber gefestigter Stimme aus, was wahrscheinlich alle dachten, »dass alles nur eine einzige große Lüge ist, der auch die Àrdbéana unterliegt. Unsere Alten werden von ihr vielleicht in Ehren entlassen, aber sie kommen nie dort an, wohin sie gebracht werden sollen. Stattdessen verrotten sie in dem grausigen Verlies dort unten und werden ihrer Kräfte beraubt. Jemand … saugt sie aus.«
»Du … du deutest damit an, die Verschwörung sitzt direkt im Palast! Und das schon seit Jahren?«, fragte Cyneweard betroffen.
Cady nickte wiederum. »Und es ist einiges im Gange. Dort unten in den Labyrinthgängen gibt es seit kurzer Zeit Myrkalfren .«
Betroffen starrten die anderen sie an, stürzten von einem Entsetzen ins nächste.
»D-das ist nicht dein Ernst«, stotterte Randur, und seine buschigen Augenbrauen sträubten sich. Ein Zwerg kannte normalerweise keine Angst, und erst recht nicht der stämmige rothaarige Randur, ein gestandener Kämpe, der schon Generationen von Zwergen in der Kriegskunst ausgebildet hatte. »Wir Zwerge bekommen ab und zu mit denen zu tun … Sie sind schauerlich, schlimmer als es jeder Elb je sein könnte. Keines der Nachtvölker, nicht einmal die Ghule, sind so … grauenerregend. Bei ihnen bekommt das Wort Finster eine ganz neue Bedeutung …«
»Wie viele sind es?«, fragte Vàkur knapp.
»Bisher wohl nur einer, aber ich denke, er ist die Vorhut und keinesfalls zufällig da. Ich …«, ein Schauer überlief sie, »ich habe ihn gesehen … nur von Weitem, aber ich muss Randur zustimmen, mein Herz blieb fast stehen.«
Tiw holte Luft. »Wahrscheinlich ist dort auch der Sitz der finsteren Macht. Durch die Geheimgänge gelangt sie in den Palast und sät dort Unheil. Jetzt zieht sie langsam alle Kräfte zusammen, um sich auf den geeigneten Schlag vorzubereiten.«
»Dubh Sùil«, wiederholten Randur und Draca flüsternd. »Er muss es sein. Wer sonst, wenn nicht Schwarzauge?«
»Ich habe ja bevorzugt recht«, murmelte Meister Ian, »aber diesmal hätte ich mich sehr gern getäuscht. Auch ich sage: Er ist es, er ist hier , und wer weiß, wie lange schon. Sie sind alle hier …«
»Und die Bogins hat er schon«, sagte Cyneweard düster. »Um aus ihnen Kraft zu schöpfen. Die Myrkalfren werden seine künftige Streitmacht bilden … und wahrscheinlich gehört auch Hauptmann Tiarnan mit seinen Leuten bereits dazu, aus eigenem Entschluss oder gezwungenermaßen. Bestimmt nimmt der Rest der Gruppe längst wichtige Positionen im Palast ein.«
Meister Ian Wispermund nickte. »Ich stimme dem zu. Die Finsteren … Dubh Sùil … bereiten einen Putsch vor, der schon bald stattfinden soll.«
»Dann ändern sich erneut unsere Pläne. Wir müssen sofort in den Palast und die Àrdbéana befreien «, erklärte Tiw entschlossen. »Ihr Krankenlager wird eine Folge der Übernahme sein, und sie kann sich nicht mehr zur Wehr setzen. Wer weiß, was ihr bereits angetan wird! Ohne sie wird es uns niemals gelingen, unser Volk rauszuhauen. Geschweige denn, einen Krieg zu verhindern.«
»Sie wird nicht minder gut bewacht sein als das Verlies unten«,
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