Der Fluch der Halblinge
Aufschneiderei, und der Rest diente der Ausschmückung.
Inzwischen brachen auch die letzten Gäste auf und stiegen die Treppe zu den Gastzimmern hinauf; nur wenige verließen das Haus.
»Gute Nacht, Hauptmann!«, rief einer herüber, und Tuagh nickte ihm zu.
»Hauptmann?«, fragte Fionn erstaunt. »Ich dachte, du bist ein Söldner.«
»Ich bin ein guter Söldner«, brummte der Wanderkrieger und betrachtete stirnrunzelnd seinen geleerten Krug. Auf einmal schien er es nicht mehr eilig zu haben. »Ist nur ein Spitzname, der sich verbreitet wie Schnupfen.«
»Es gibt sogar welche, die ihn General nennen.« Einer der Braunelben trat an ihren Tisch. Fionn betrachtete verstohlen die hohe, schmale Gestalt, das edle Gesicht mit der vornehm blassen Hautfarbe und den waldgrünen Augen. Wenn dieser zu den Rangniedrigen gehörte, dann wollte Fionn sich nicht ausmalen, wie die Hochelben sein mochten. Oder gar die Àrdbéana. Gewiss, ab und zu waren Elben zu Gast bei seinem Herrn gewesen, doch diese hatte er immer nur von Ferne bewundern können, und sie waren oft verhüllt gewesen, als wäre es ihnen unangenehm, allzu viel in einem von Menschen bewohnten Haus von sich preiszugeben.
Der Braunelb fuhr fort: »Dein Beschützer ist weit herumgekommen und schon lange im Geschäft. Jeder unserer Zunft kennt ihn, ebenso wie alle Kriegsherren. Es gibt kein Schlachtfeld mehr, das er als einfacher Söldner betreten würde.«
»Hast du nicht woanders zu tun?«, sagte Tuagh schlecht gelaunt.
Der Elb nickte grinsend und empfahl sich. Sein Gefährte wartete schon bei der Treppe, und als sie hinaufstiegen, knarrte nicht eine Stufe, geschweige denn, dass man einen Schritt gehört hätte. Nicht einmal einen Lufthauch gab es.
Die Stube leerte sich. Die Wirtin kam an ihren Tisch, um zu kassieren. »Hast du noch eine Kammer für den Jungen?«, fragte Tuagh.
»Sicher«, sagte sie achselzuckend und nannte den Preis.
Der Wanderkrieger zahlte ihn ohne zu handeln. »Bring mir noch ein Bier zum Abschluss«, bat er und legte etwas drauf. »Du musst nicht auf uns warten, wir gehen dann auch gleich hinauf.«
Fionn wäre am liebsten gleich ins Bett gefallen. Die Stummen Stunden waren angebrochen, und nach diesem langen und tragischen Tag war er völlig übermüdet.
Die Wirtin löschte alle Lichter bis auf eine Öllampe, wünschte den letzten beiden Gästen eine Gute Nacht und verließ sie.
Fionn sah, wie Tuagh nach dem Krug griff – und ihn dann absetzte, sobald die Schritte der Frau im oberen Stockwerk verklungen waren.
»Und jetzt gehen wir, sehr schnell«, sagte er leise zu Fionn und gab ihm ein Zeichen, ihm zu folgen. Dabei führte er ihn nicht Richtung Treppe, sondern zum Ausgang.
»Was …«, setzte Fionn an, doch Tuagh legte einen Finger an die Lippen und bedeutete ihm, still zu sein. Er zog den jungen Bogin mit sich, schloss die Tür fast lautlos, und dann standen sie auf der Straße.
Es war alles still und verlassen, nur die Katzen streiften noch umher, auf der Suche nach Abfällen und jenem Getier, das diese gern fraß. Fionn fröstelte in der kalten Dunkelheit. »Was hast du vor?«, flüsterte er.
»Was glaubst du wohl, was diese Söldner da drin als Erstes tun werden, sobald sie mich und dich schlafend wähnen?«, antwortete Tuagh, während er ihn mit sich weiterzog. Sie gingen eine schmale Seitengasse entlang, auf die nur Rückfronten der Häuser führten.
»Aber … sie haben dich doch Hauptmann genannt und schienen dir freundschaftlich zugetan …«
»Das ist die Höflichkeit unter Gleichgesinnten. Wir wären dumm, uns gegenseitig die Schädel einzuschlagen, Wunden und Schwäche zu riskieren, ohne Verdienst. Jeder muss leben und Geld verdienen, Fionn. Deshalb warten sie auch bis jetzt, wo sie mich schnarchend in meinem Zimmer wähnen, bevor sie zum Palast laufen – um mich nicht mit hineinzuziehen.«
»Und wohin gehen wir jetzt?«, wollte Fionn wissen. Ihm klapperten die Zähne, seine Füße waren halb taub, und er schlug die Arme um sich.
»Nicht weit, das kannst du noch aushalten«, gab Tuagh Auskunft. »Erst recht, wenn wir uns beeilen.«
Fionn lief wie betäubt dahin. Sein Verstand hatte ausgesetzt, und er konnte nur noch Schmerz empfinden – spitze Steine, die sich in seine Fußsohlen bohrten, Kälte, die wie Nadeln auf seine Haut stach, Müdigkeit, die seine Muskeln lähmte und in harte Klumpen verwandelte, und Luft, die seine Lungen nur noch berührte, ohne sie zu sättigen. Immer wieder stolperte er und taumelte
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