Der Fluch der Halblinge
bekannt und geachtet. Und in diesem Alter, nach so vielen Jahren Kampf im Auftrag anderer, nicht sesshaft zu werden, konnte nur eines bedeuten: Er war ein Getriebener, einer, der versuchte, irgendein Unrecht wieder gutzumachen. Vielleicht aber auch … etwas zu finden, das er schon lange verloren oder sogar niemals besessen hatte.
Bogins hatten ein sehr feines Gespür, wie alle ihre Sinne empfindlich waren. Fionn mochte nicht viel vom Leben außerhalb des Hauses seines Herrn verstehen, aber er war ein guter Beobachter.
»Du bist genauso auf der Suche wie ich, stimmt’s? Niemand sonst würde sich meiner so annehmen, wenn er nicht aus ähnlichem Grund unterwegs wäre. Du verstehst, was in mir vorgeht.«
Tuagh rieb sich den dunklen Bart. »Hm«, brummte er. »Na schön. Ich suche nach meinem Bruder, und das seit Jahren. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was ich gestern sagte. Die Suche ist ein Teil meines Lebens, so wie der andere Teil das Söldnertum ist.«
»Dann sollten wir zusammen suchen«, schlug Fionn vor. »Ich kann dir helfen, und du mir.«
»Mir kann niemand helfen, junger Bogin, erst recht nicht du unschuldsvoller Sanftmütiger, der du keine Ahnung von der Welt hier draußen hast. Und ich habe dir gestern gesagt, wir sind damit quitt.«
Fionn schüttelte hartnäckig den Kopf. Er wusste jetzt, was er zu sagen hatte. »Du hast mich gekauft.«
Tuagh stieß einen spöttischen Laut aus. »Mit Elbengold!«
»Gekauft ist gekauft, mein Herr, dafür gibt es viele Zeugen. Damit bist du für mich verantwortlich, auch wenn es dir nicht gefällt.«
»Fionn, allmählich werde ich ungehalten. Das Letzte, was ich brauche und will, ist ein Sklave. Betrachte es so, dass du dich freigekauft hast.«
»Das ist einem Bogin untersagt. Er darf kein Geld besitzen, und er ist Sklave durch Geburt. Es ist alles im Obersten Gesetz geregelt.« Fionn merkte, dass Tuagh wirklich wütend wurde, aber er gab jetzt nicht nach. »Und dann ist es so, dass ich dir etwas für meine Versorgung schulde. Du hast eine Menge Geld für mich aufgebracht, das muss ich dir zurückgeben. Das kann ich nur, indem ich …«
»Du wirst mir nicht dienen!« Tuagh hob die Hand, seine Augen umwölkten sich. »Keinesfalls werde ich das dulden, Fionn.«
Der junge Mann nickte. Innerlich zitterte er, fühlte verzweifelten Stolz auf sich, weil er sich unerwartet gut in dieser Schlacht schlug. Die erste seines Erwachsenendaseins. Und das begann er mit dem Wagnis, sich derart mit einem Menschen auseinanderzusetzen! »Es tut mir leid, Tuagh. Ich wollte dich nicht beleidigen, aber was soll ich denn sonst tun? Es sei denn, du bringst mich zum Palast, zu allen anderen meines Volkes.«
Der Wanderkrieger schwieg.
»Tuagh«, setzte Fionn leise fort. »Wo soll ich denn hin? Ich besitze nichts, ich habe keine Papiere, und selbst wenn ich sie hätte, dürfte ich nicht allein reisen. Gestern habe ich das Haus meines Herrn zum ersten Mal verlassen. Ich habe in der Tat, wie du bereits mehrfach festgestellt hast, keinerlei Ahnung von der Welt hier draußen. Nicht mal aus dieser Stadt würde ich hinausfinden, geschweige denn jemals wieder nach Hause zurück. Das einzige, was für mich klar erkennbar ist, ist der Palast, weil er auf einem Hügel liegt, und vielleicht finde ich sogar die Hauptallee dorthin. Also … könnte ich mich selbst stellen, was dich deiner Verantwortung enthebt. Soll ich das tun? Hast du mich deswegen die ganze Zeit über beschützt?«
»Rede keinen Unsinn«, brummte Tuagh. »Vielleicht kenne ich ein oder zwei Leute, die dich aufnehmen können, bis dieser Wahnsinn vorbei ist.«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, erwiderte Fionn. »Und welchen Sinn hätte das auch? Ich bin wahrscheinlich der einzige Bogin hier in der Stadt, der noch auf freiem Fuß ist. Die Bogins auf dem Land werden sicher auch bald verhaftet, und Tiw werden sie früher oder später auch finden, wenn ich nicht schneller bin. Ich bitte dich, hilf mir, mein Volk zu retten! Ich muss diese Chance nutzen! Ich habe Angst, dass … dass sie alle verurteilt werden, wenn ich nicht aufklären kann, wer Herrn Brychans Mörder ist. Und ich muss beweisen, dass es keine Verschwörung gegen den Palast war.«
»Wie kannst du darin sicher sein?«, erwiderte Tuagh. »Was ist mit den ominösen Seiten aus einem Buch, die du erwähnt hast? Dem Gespräch, das du heimlich belauscht hast?«
»Und genau deswegen muss ich das tun!«, wiederholte Fionn verzweifelt. »Ich stecke zu tief drin, ich kann
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