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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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tun hat?«
    »Mhm«, brummte der Gelehrte und wies den jungen Bogin mit einer Kopfbewegung an, sich zu entfernen.
    Fionn und seine Eltern suchten überall. Alle Bogins hatten sich im großen Wohnraum des Herrn versammelt und drückten sich verstört aneinander. Niemand konnte begreifen, was geschehen war, alle hatten Angst und waren erschüttert.
    Tiw jedoch war verschwunden, zusammen mit seinen Sachen. Das sah nicht gut aus.
    »Es tut mir leid, ich muss Meldung im Palast machen«, erklärte Meister Ian und gähnte. Genauso wie alle anderen hatte er sicher nicht mehr als drei oder vier Stunden geschlafen.
    »Ich habe noch eine Frage, Herr«, sagte Fionn. »Habt Ihr … habt Ihr irgendwelche Papiere bei Herrn Brychan gefunden?«
    »Nein«, antwortete Meister Ian. »Es war überhaupt nicht viel in seinem Reisegepäck. Was weißt du von Papieren?«
    »Tiw erwähnte sie. Vielleicht hat er sie an sich genommen.«
    »Und dafür einen Mord begangen?«
    »Niemals, Herr. Bogins begehen keinen Mord, das ist einfach unmöglich.«
    Leider sah der Palast das anders. Innerhalb einer Stunde, nachdem Meister Ian einen Boten geschickt hatte, polterten zehn Wachen durchs Haus und stellten alles auf den Kopf. Inzwischen waren auch noch die Verschlafensten im Anwesen auf den Beinen, die Gäste hatten alle ihre Sklaven und deren Kinder um sich geschart, um sie zu schützen und vermutlich gleichzeitig im Auge zu behalten.
    Ein Hauptmann brüllte, dass alle Bogins verhaftet seien, was verständlicherweise einen Tumult auslöste.
    »Das ist unerhört!«, beschwerten sich die Gäste ebenso wie der Hausherr. »Das kommt überhaupt nicht in Frage! – Wir brauchen sie! – Niemand nimmt mir meinen Sklaven weg! – Das Oberste Gesetz besagt …«
    »Anordnung des Obersten Haushofmeisters«, schnarrte der Hauptmann. »Die Àrdbéana erlitt einen schweren Schwächeanfall, als sie von der schändlichen Tat an einem ihrer hoch geschätzten Gelehrten erfuhr. Wie es heißt, ist ihr Zustand sehr kritisch! Und deshalb, bis zur Klärung dieses Falles, müssen alle, ich wiederhole: alle Bogins in Sìthbaile und ganz Albalon verhaftet und ins Verlies des Palastes geworfen werden, wo sie ihren Prozess zu erwarten haben. Der Oberste Haushofmeister befürchtet eine Verschwörung gegen den Palast und will der Sache gründlich nachgehen. Deshalb darf niemand ausgenommen werden!«
    Ein ganzes Volk wurde des Hochverrats bezichtigt. Der Oberste Haushofmeister sah nur eine Möglichkeit, die erkrankte Herrscherin zu heilen: Indem er das gesamte Volk der Bogins unter Kontrolle hielt, verhinderte er seiner Überzeugung nach, dass ein weiterer Mord geschah – denn er sah dies nicht als einmalige ungeplante Tat an –, und schützte so die angeschlagene Gesundheit der Àrdbéana.
    Ein Komplott also … Das warf viele Fragen auf, denn wer sollte sich gegen den Palast verschwören. Und warum? Und weshalb musste Magister Brychan sein Leben dafür lassen? Und wieso sollte ein ganzes Volk daran beteiligt sein?
    Es gab keine weiteren Erklärungen. Alle sollten für die Tat eines Einzelnen büßen, von dem nicht einmal erwiesen war, dass er sie begangen hatte.
    Alle Drohungen seitens der Sklavenbesitzer nutzten nichts, alles Betteln und Flehen, jeglicher Widerstand war zwecklos. Unter Geschrei und Wehklagen wurden alle Sklaven, einschließlich der Kinder, ihren Beschützern entrissen und grob, als wären sie die schrecklichsten Schwerverbrecher und als hätte es nie ein Oberstes Gesetz gegeben, fortgeschleppt. Und die gnadenlose Jagd begann.
    »Ich war gerade dabei, mich umzukleiden, als es geschah«, schloss Fionn seinen Bericht. »Ich dachte gar nicht darüber nach und bin so, wie ich gerade war, den Gang entlanggerannt und durch ein Fenster gesprungen. Niemand hat es bemerkt, denn Bogins fliehen normalerweise nicht.«
    »Genauso wenig, wie sie einen Mord begehen.« Tuagh klopfte seine erkaltete Pfeife aus.
    »Das ist etwas anderes, Tuagh«, erwiderte Fionn, dem es inzwischen nicht mehr so schwer fiel, das »Herr« wegzulassen. »Ich war völlig überfordert mit dieser Lage, ich hatte schreckliche Angst und wollte einfach nur fort, weg von allem. Trotzdem wäre ich niemals in der Lage, anderen ein Leid zuzufügen – hier ging es nur um mich.«
    »Hm.« Tuagh zog eine nachdenkliche Miene. »Denkst du, Tiw war es?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Fionn zu. »Allmählich zweifle ich an allem. Meister Ian sagte, der Länge der Stichwunde nach zu urteilen, hätte es ein

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