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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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fragst.«
    Der Alte dachte einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf. »Das nützt uns nichts, wir sind ausgeliefert und können nichts tun. Wir können nur darauf hoffen, dass noch ein letzter Rest des Obersten Gesetzes übrig ist und wir wenigstens zu essen und zu trinken erhalten, um am Leben zu bleiben. Oder glaubt ihr, die lassen uns hier verrotten?«
    »Das werden unsere Herrinnen und Herren nicht zulassen«, sagte Alana energisch. »Ich bin sicher, sie stürmen soeben den Palast und verlangen unsere augenblickliche Freilassung! Sie werden uns nicht vergessen, das wird niemand!«
    »Sind wir denn alle hier?«, erklang eine Stimme von der anderen Seite. »Wie viele sind wir?«
    »Hunderte«, antwortete Alana. »Ich denke, alle von uns. Erspare uns, dass wir uns durchzählen.«
    »Aber wir sind so viele, sagst du – da müssten wir doch etwas unternehmen können!«
    »Nichts können wir.«
    Keiner von ihnen trug mehr den Urram, er war ihnen abgenommen worden, und das allein war schon eine große Schande. Und es machte sie auch hilflos. Mit bloßen Händen einen Weg durch die Felsen nach draußen graben? Ausgeschlossen. Auch die Gitter saßen stabil in der Verankerung. Der Boden war so fest gestampft, dass ihm nur eine Spitzhacke beikommen konnte.
    Einige fingen zu weinen an, als ihnen die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage bewusst wurde. Die anderen versuchten, sie zu trösten und aufzumuntern; es war nicht Art der Bogins, im Leid zu versinken, sie blickten stets nach vorn. Nichts kann so schlimm sein, dass es nicht zu bewältigen ist , lautete eine ihrer Lebensformeln. Bogins glaubten mit jeder Faser ihres Herzens an einen guten Ausgang.
    Alana stellte sich in die Mitte des Kerkers, holte tief Luft und fing an zu singen. Nicht lange, dann fiel Hagán mit seinem Bass ein, und so nach und nach auch andere. Sie sangen von den Weiden und Auen, von den Steilküsten und den Wasserfällen Albalons, und sie sangen von Hafren, der Herrin der Flüsse und Seen, die den Frühling mit sich brachte, sobald das Eis des Winters brach und sie aus den Tiefen emporstieg. Hafren, die das Leben brachte, deren Güte jeden segnete, der sie nur von Weitem erblickte, deren Schönheit Glanz und Licht, Liebe und Wärme war. Es gab niemanden, den die Bogins mehr verehrten, denn das Wasser nährte die Felder und Bäume und Sträucher, die Weiden und Gärten, das Vieh und alle Wildtiere. »Bei Hafrens Güte« war ein beliebter Spruch des Volkes. Sie war nun der Trost und das Licht in der Dunkelheit.
    »O Hafren, so seh ich dich wieder, mein Herz voller Wonne
Fein und hell auf grauem Fels, unter leuchtender Sonne
Kämmend dein silberleuchtend Haar
Und weiße Lilien um dich, so wie es immer war.
Der Frühling erblüht, und so spür ich weder Rast noch Ruh’.
O Hafren, hörst meinen Gesang du?«
    Aber Hafren kann uns nicht hören , dachte Cady, die sich nicht am Gesang beteiligte. Sie ist schon lange fort, niemand von uns hat sie je gesehen, und vielleicht ist sie immer nur eine Legende gewesen. Dennoch, musste sie einräumen, konnte auch eine Legende Trost und Lebensmut spenden, sie konnte es spüren, dass die Kräfte der Bogins langsam zurückkehrten, und auch Onkelchen Fasin seinen Lebenswillen durch den Gesang wiederfand. Aber sie selbst würde all ihre Hoffnungen auf etwas anderes konzentrieren, etwas, das greifbarer war. Sie ging zum Gitter, legte die Finger darum und sah hinaus auf die flackernde Flamme einer Fackel. Fionn , dachte sie. Ich weiß, du bist dort draußen, und du bist frei. Ich weiß, du wirst alles unternehmen, um uns zu befreien. Viel Glück auf deinem Weg. In Gedanken werde ich immer bei dir sein und dich stärken. Ich werde nicht aufgeben, bis du zurückkehrst. Glaub daran und kämpfe für uns.
*
    Meister Ian Wispermund machte seinem Namen heute gar keine Ehre. Wild fuchtelnd stand er vor dem offenen Eingang zur Thronhalle und schrie zornig mit schriller Stimme: »Ich verlange , sofort die Àrdbéana zu sprechen! Ich lasse mich nicht abweisen! So etwas hat das Reich noch nicht erlebt. Ich bestehe darauf, dass der Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen wird!«
    Die Wachen weigerten sich, den Weg freizugeben, auch wenn ihnen nicht ganz wohl dabei war. Mit unsicheren Blicken musterten sie die Gefolgschaft des Gelehrten – mindestens drei Dutzend Menschen und Elben tummelten sich in der Vorhalle, und auf der großen Portaltreppe wogte eine wütende Menge von mehr als hundert Personen, die alle die Herausgabe ihrer

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