Der Fluch der Halblinge
wissen.
»Tuagh … kennst du dich mit Frauen aus?«
»Sehe ich deiner Ansicht nach so aus?« Der Wanderkrieger wies auf seine Kleidung, die schon bessere Tage gesehen hatte, auf seinen Bart, der gestutzt gehörte, und auf sein Schwert am Rücken und die Axt am Gürtel.
»Naja, wenn man ein paar Jahrzehnte zurückgeht, warst du für einen Menschen wohl mal ein ganz passabler Bursche«, sagte Fionn. Er verstand nicht viel von Attraktivität, abgesehen davon, dass Cady für ihn das schönste Wesen unter der Sonne war, aber seiner Ansicht nach sah Tuagh nicht übel aus. Wenn man sich die wettergegerbte Haut glatter vorstellte, kamen darunter markante Züge zum Vorschein. Und Narben trug er im Gesicht auch nicht, was für einen Söldner keine Selbstverständlichkeit war. »Schwer vorstellbar, dass du nie mit Frauen zu tun hattest.«
Tuaghs Blick verdüsterte sich, und er starrte ins niederbrennende Feuer. »Du hast gute Augen, Junge«, sagte er anerkennend. »Ja, ich hatte einst eine Familie, eine Frau und eine Tochter, doch ich habe sie beide verloren, noch vor meinem Bruder.«
»Entschuldige«, sagte Fionn betroffen. »Ich wollte nicht …«
Tuagh winkte ab, seine Stimme klang erstaunlich nüchtern.
Das war Fionn schon aufgefallen, dass der Mann kaum Gefühle zeigte; aber nicht etwa, weil er sie bewusst verbarg. Irgendwie schien ihn nichts sonderlich zu berühren, lediglich Erinnerungen, so wie jetzt, schienen ihm Unbehagen bereiten zu können.
»So tief reicht dein Blick denn doch nicht«, begann der Krieger zu erklären,«und es ist verständlich, dass du es wissen willst. Damals war ich noch jung und glaubte an gute Fügungen. Seither ist viel Zeit vergangen, und falls du also aus Eigeninteresse nachfragst, so muss ich dir leider sagen, dass ich zwischenzeitlich kein sonderliches Wissen über die Frauen dazu gewonnen habe.«
War das der Grund für seine Rastlosigkeit, die sich mit der Suche nach seinem Bruder, dem letzten verbliebenen Rest seiner Familie, verband? Jahrzehnte? Also musste er zumindest damals etwas empfunden haben. Was musste das für eine Liebe gewesen sein …
Andererseits hatte Tuagh nicht gesagt, dass seine Frau und seine Tochter gestorben waren, er hatte von »verloren« gesprochen. War er auch nach ihnen auf der Suche?
Fionn war feinfühlig genug zu erkennen, dass er hier nicht weiter insistieren durfte. Tuagh würde darüber von sich aus sprechen, wenn er es wollte. Deshalb stellte er eine andere Frage, die ihn wieder zu seiner Herzensangelegenheit zurückführte.
»Um sie … die Frau, die du liebtest … hast du aber geworben, nicht wahr?«
»Oh, ich gab alles.« Tuaghs Blick wurde lebendiger und, ja wirklich, weicher. Es gefiel ihm augenscheinlich, darüber zu sprechen. »Wie stürmisch war ich damals, voller Tatendrang und Träume. Sie war etwas ganz Besonderes, Einzigartiges, und wenn ich heute zurückschaue, muss ich mich über meinen Mut wundern, dass ich eine Werbung überhaupt in Betracht zog. Das war wohl meiner jugendlichen Unbedarftheit und Unerfahrenheit geschuldet. Sie war so edel … so wundervoll.«
»Was geschah?«, fragte Fionn nun doch vorsichtig, die Frage war ihm geradezu in den Mund gelegt worden. Vielleicht wollte Tuagh sich weiter offenbaren.
Doch er wich aus. »Ich habe sie verloren, wie ich sagte. Sie sind beide fort, und ich kann nicht einmal mehr nach ihnen suchen.«
»Das tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Das ist nun einmal das Leben. Wir nehmen es an und machen weiter.«
Tuagh goss das restliche Wasser über das Feuer und bedeckte die verlöschende Glut mit Erde. »Das ist alles lange her, Fionn, und nicht mehr von Bedeutung.«
Fionn wagte noch eine Frage, die ihn beschäftigte. »Glaubst du, wenn du sie nicht verloren hättest, dass … dass eure Liebe gehalten hätte?«
»Tja, wer weiß? Ich habe damals daran geglaubt, aber wer kann das schon für ein Leben sagen? Mach dir nicht zu viele Gedanken, Junge. Zuerst einmal musst du dein Mädchen …«
»Cady.«
»Zuerst musst du Cady befreien, bevor du an eine gemeinsame Zukunft denken kannst. Und das ist momentan die größte Hürde, scheint mir.« Er fing an zusammenzupacken. »Du hast also in Wirklichkeit zwei Ziele. Das ist gut. Sogar sehr gut.«
Das war der Ansporn, nach dem Fionn seit gestern gelechzt hatte. Der seine Schmerzen überwog, und seine Zweifel, ob er, aufgrund hoffnungsloser Selbstüberschätzung, nicht völlig wahnsinnig geworden war bei dem, was er vorhatte.
»Oh, du bist
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