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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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Machtansprüche, Begierden … all das prägt einen und treibt jeden voran. Ein jeder versucht mit allen Mitteln, seine Ziele zu erreichen. Da geraten auch weniger streitbare Geister zwangsläufig aneinander, wenn die Meinungen auseinander gehen. Wir denken, handeln und fühlen unterschiedlich, und vor allem unser Umgang, unser Verhalten bietet oft Anlass zu Missverständnissen, zwingt aber auch zum Handeln, das anderen nicht entgegenkommt. Das Zusammenleben ist schwierig.«
    Das war eine lange und nicht besonders aufbauende Rede nach dem nahezu schweigend verbrachten Tag gewesen, und Fionn hatte eine Weile daran zu kauen. Allmählich begann er zu verstehen, weshalb Tuagh sich weigerte, sesshaft zu werden. So ging er allen Konflikten und Konfrontationen aus dem Weg, war niemandes Freund, aber auch niemandes Feind und konnte deswegen niemanden beleidigen oder bevorzugen. Er blieb immer außen vor, war nie Teil und führte seinen Auftrag aus, ohne innerlich beteiligt zu sein. Er wollte keine Partei ergreifen und hielt sich aus allem heraus. Einsam wie der Mond trieb er dahin, seiner Welt immer ganz nah, aber sie nie berührend.
    Bequem oder feige? Gut oder schlecht? Fionn war sich nicht sicher, ob ihm seine Schlussfolgerung gefiel – wenn sie denn zutraf –, aber was Tuagh ihm erzählt hatte, gefiel ihm auch nicht. Im Augenblick war er seinem Herrn Ian Wispermund gegenüber also wieder etwas versöhnlicher eingestellt, weil der ihn vor diesen Dingen beschützt hatte; diese Stimmung pendelte ständig hin und her.
    Aber wer war Tuagh nun wirklich? Er machte sich tiefergehende Gedanken als sie ein normaler Mensch wahrscheinlich hatte. Von seinem Herrn war Fionn das gewöhnt, wie bei einem Gelehrten nicht anders zu erwarten, aber bei einem Söldner? Fionn würde aber unter keinen Umständen nachfragen, denn Tuagh hatte schon mehrmals gereizt reagiert, wenn die Sprache darauf kam, dass er anders war als die anderen. Er empfand es nicht als Gegensatz, ein Söldner zu sein und außerdem über eine gute Bildung und Wissen zu verfügen, und sich Gedanken über die Welt zu machen.
    Vielleicht war er deswegen von seinen Gildenbrüdern so respektiert und wurde »Hauptmann« oder gar »General« genannt. Er saß wahrscheinlich mit Baronen und Fürsten an einer Tafel und führte dort Gespräche anderer Art als mit Seinesgleichen.
    Deswegen also hat er zugestimmt, dass ich ihn begleite , dachte der junge Bogin. Wir passen zusammen, weil wir beide nicht dem entsprechen, was die Allgemeinheit erwartet .
    Am Ende eines Waldes führte der Pfad auf ein Dorf zu; ungefähr zwanzig Hütten aus Lehm und Ried, mit einem gestampften Platz in der Mitte, auf dem der Brunnen errichtet war. Fionn erkannte, dass hier Menschen lebten, offenbar Kleinbauern, die ein wenig Gemüse und Kartoffeln anbauten und in abgesteckten Koppeln Schafe und Ziegen hielten. Ein oder zwei Ponys hielten sie auch, die zum Lastentragen eingesetzt wurden. Der Bogin war erstaunt über die ärmliche Kleidung der Leute, und darüber, wie still sie waren. Es gab Kinder, aber die hatten keine Zeit zu spielen, sondern arbeiteten bei den Eltern mit, und man hörte kein Lachen oder gar Unterhaltungen. Nur ein an die Kette gelegter Hund winselte vor sich hin, und ein paar Hühner gackerten.
    Fionn hätte angenommen, dass Tuagh sich um das Dorf herumbewegen wollte, aber zunächst suchte er den Weg darauf zu. Am Rand standen einige größere Scheunen, denen sie sich nun näherten. Die Dorfbewohner hatten sie noch nicht bemerkt, weil das Gelände unübersichtlich war; niemand sah zu ihnen herüber, alle verrichteten weiter ihre Arbeit.
    Plötzlich packte der Wanderkrieger den Halbling an der Schulter und zog ihn seitlich mit sich, an der Scheunenwand entlang. Hier gab es einen kleinen Verschlag mit allerlei Gerümpel, in dem sie sich beide versteckten.
    Fionn öffnete den Mund, doch Tuagh legte den Finger an die Lippen und bedeutete ihm, sich nicht zu rühren.
    Da hörte er es.
    Ein lang gezogenes, gedehntes Heulen, das den Kettenhund veranlasste, aufjaulend den Schwanz einzuklemmen und zitternd Schutz an der Hauswand zu suchen. Beim zweiten Heulen fing er panisch an, mit den Vorderläufen in den gestampften Boden zu graben, um Deckung zu finden.
    Fionn konnte das Geschehnis nur durch die Lücken zwischen den Holzbrettern hindurch erkennen und musste sich das meiste zusammenreimen. Einige der Menschen hielten nun vom Hacken und Schaufeln inne und richteten sich auf, Frauen scheuchten

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