Der Fluch der Halblinge
immer nicht den Kopf heben. »Es … es tut mir leid«, brachte er schließlich hervor.
Tuagh legte die Hand unter sein Kinn und zwang Fionn, ihn anzusehen. »Entschuldige dich nie wieder für etwas, für das du nichts kannst.«
»Ich hab’ das Feuer ausgehen lassen …«
»Na schön. Dafür ist eine Entschuldigung fällig. Für alles andere nicht.« Tuagh ließ ihn los. »Entschuldigung angenommen.«
Fionn presste die Kiefer fest aufeinander. Nein, er würde nicht klagen, er würde nicht weinen, niemals. Er war erwachsen, und was immer auch mit ihm geschah, es war nicht so schlimm wie das Schicksal seines Volkes. Sein Ziel stand fest, und wenn er gleich zu Beginn vor ein paar Ameisen und Käfern kapitulierte, taugte er wirklich nichts und sollte sich besser den Soldaten der Àrdbéana stellen.
Tiw fand sich schließlich auch zurecht, und der war ein Bogin wie Fionn. Das nächste Mal würde er also auf das Feuer aufpassen, und er würde ab sofort Tuagh bei allem, was er tat, genau beobachten und sich jeden Handgriff merken. Solch ein Versagen würde nie mehr vorkommen.
Tee, Schwarzwurzeln, ein wenig Brot und der frisch gebratene Hase ließen ihm die Welt bald in besserem Licht erscheinen. Fionn war satt und er fror nicht mehr, der Regen hatte sich doch nicht hier niedergelassen, sondern war in eine andere Richtung mit dem Wind weitergezogen, und all die grässlichen Krabbeltiere waren schlafen gegangen. So betrachtet, war es ein guter Beginn für seine große Reise, in dieser ersten Nacht unter freiem Himmel.
Tuagh legte sich bald schlafen, nachdem er noch einmal Holz nachgelegt hatte, aber Fionn lag trotz seiner Müdigkeit noch eine Weile wach, um den Sternenhimmel über sich zu betrachten. Diese Weite dort oben war ihm vertraut, er hatte sie oftmals im Garten oder von seinem Zimmerfenster aus gesehen, und das war ihm ein Trost. Der Himmel hatte sich nicht verändert und würde ihn auch weiterhin begleiten; er schenkte ihm Beständigkeit und etwas Vertrautes, woran er sich festhalten konnte. Und auch orientieren, so wie am Sonnenstand des Tages. Er würde lernen, mit Hilfe des Firmaments seine Richtung zu finden und seinen mangelnden Orientierungssinn schulen.
Cady , war sein letzter Gedanke, bevor er einschlief.
Tuagh weckte ihn früh, noch vor der Morgendämmerung. Das Feuer brannte bereits, der Tee kochte, und der Wanderkrieger legte die Reste des Brotes von gestern und ein Stück Käse bereit.
Fionn konnte sich kaum rühren, er hätte nicht geglaubt, dass es ihm jemals möglich wäre, auf hartem, unebenem Boden zu schlafen. Er fühlte sich trotz des bleiernen Schlafes kein bisschen ausgeruht, und rappelte sich stöhnend und ächzend hoch, wankte zum Bach, um sich zu waschen, und zwang seine Füße dann in die Stiefel.
»Wie kannst du das nur aushalten?«, fragte er seinen Reisebegleiter, während er sich ächzend neben ihm niederließ und das karge Frühstück zu sich nahm.
»Ich bin daran gewöhnt.«
Fionn nickte und war sicher, dass er sich niemals daran gewöhnen würde und vermutlich bereits morgen früh unweigerlich auseinanderfallen musste. Sämtliche Knochen unter der Haut würden wahrscheinlich einfach den Halt verlieren und zu Boden klappern, sein Kopf oben drauf, und so würde er in alle Ewigkeit liegen bleiben, als formloser Sack und Mahnmal für alle Bogins, sollte sie jemals die Reiselust packen.
Etwas begriff er dennoch nicht. Selbst wenn man daran gewöhnt war – warum nahm jemand, der zudem nicht mehr ganz jung war, ein ewig ruheloses Wanderleben auf sich, anstatt in einer gemütlichen Behausung ein friedliches Dasein zu führen? Kam nicht dereinst die Zeit, sich zur Ruhe zu setzen?
Das lenkte Fionns Gedanken wieder auf Cady und seine Gefühle für sie. Sie hatten sich geküsst, bevor sie einander entrissen worden waren. Bedeutete das, sie empfand dasselbe für ihn? Würden sie jemals ein Leben als Mann und Frau führen dürfen? Und wenn es dazu käme, was hatte Fionn dann überhaupt zu tun? Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sich einer Frau gegenüber zu verhalten hatte, und er wollte keinen Fehler machen. So wie Tuagh wollte er keinesfalls leben, sein Ziel war es, eine Familie zu gründen und einen festen Platz innezuhaben. Wahrscheinlich war es dumm von ihm, sich gerade jetzt Gedanken darüber zu machen, wo dieses Ziel völlig entgegengesetzt zu seinem derzeitigen Verhalten stand und seine Reise noch nicht mal richtig begonnen hatte – aber er musste es
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