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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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müssen eine Fackel mitnehmen.«
    »Zwei!«
    Melissa nahm es auf sich, Cady zweimal hochzuheben, obwohl sie stöhnte und ächzte und sich beschwerte, aber unter keinen Umständen wäre sie ohne Fackel gegangen.
    Der Gang wurde schmaler, und ein abgestandener, schaler und zugleich feuchter Geruch schlug ihnen entgegen. Hand in Hand, eine Fackel nach vorn, die andere nach hinten gehalten, wagten sie sich weiter. Der Gang bog und wand sich tiefer in den Fels hinein, und es ging leicht abwärts. Schließlich erreichten sie zu ihrer Überraschung ein weiteres Verlies, eines, das sehr viel älter wirkte. Es war gröber behauen, die Decke niedriger, das Gestein scharfkantig. Die Gitter waren rostig, aber verschlossen. Von hier aus führten noch weitere Gänge tiefer in den Hügel. Die Vermutung, dass der Palast auf einem älteren Labyrinth errichtet worden war, erschien ihnen immer wahrscheinlicher.
    »Denkst du, es gibt noch viel mehr Verliese?«, fragte Melissa mit zitternder Stimme. Sie zog die Schultern hoch, ihr war kalt, aber sie hatte auch Angst. Nicht etwa vor einem Geist oder Ungeheuer, sondern vor dem, was sie hier entdecken mochten. Dass die Wachen plötzlich hier auftauchen würden, war mehr als unwahrscheinlich. Der schlierige Boden zeigte keine Spuren, außer ihren eigenen. Eine gute Orientierungshilfe, denn woher sollten sie wissen, wo sie sich befanden?
    »Ich will es nicht hoffen«, murmelte Cady. »Dieses hier ist schon groß genug.« Sie schätzte, dass es gut doppelt so groß wie das andere war. Wer mochte einst hier geherrscht und diese Schreckenshöhlen gebaut haben? Es war ein sehr weiter Weg; wer so tief unten Gefangene ablud, dann wohl kaum, um sie am Leben zu erhalten, das wäre mühsam und zu aufwendig. Also verschwanden hier Leute, die unerwünscht waren, oder …
    Nun, das war lange her. Vermutungen anzustellen, war müßig.
    Cady schwenkte die Fackel, die weiteren Gänge interessierten sie. Wo mochten sie hinführen?
    Melissa allerdings hatte genug, sie war nicht mehr neugierig. »Lass uns zurückgehen, hier entdecken wir nichts, und es gibt auch keinen Fluchtweg.«
    »Da bin ich nicht so sicher.«
    »Wie willst du den finden? So weit reicht keine Fackel …«
    Cady zögerte. »Dann will ich wenigstens einen Blick in die Verliese werfen.«
    »Warum? Lass das, Cady! Wir brauchen nicht zu wissen, welche armen Tröpfe hier unten verrotten mussten.«
    »Doch. Das müssen wir.«
    Melissa versuchte, sie am Arm festzuhalten, aber Cady zog sie einfach mit sich. Sie hatte ebenso viel Angst wie ihre Freundin, aber es gab kein Zurück. Sie waren hier, um alles herauszufinden.
    Dicht aneinander gedrängt gingen sie auf das erste Verlies zu und leuchteten hinein; es war leer. Ein paar modrige Überreste von verschimmeltem Stroh waren zu erkennen, sonst nichts. Cady war auf das Aufglühen von Augen gefasst gewesen, Augen kleiner heimlicher Wesen, die hier unten lebten; Ratten, Mäuse, Wühler … aber hier gab es nichts. Es war sehr still, abgesehen von gelegentlichem Tropfen auf Stein.
    Das zweite Verlies – auch nichts, aber dann, im Dritten; Cady hätte vor Schrecken beinahe die Fackel fallen gelassen, und die beiden jungen Frauen machten gemeinsam einen Satz rückwärts.
    Mit geweiteten Augen, die Gesichter flackernd von den Fackeln beleuchtet, starrten sie sich an. Jede las im Gesicht der anderen, dass sie sofort begriffen hatte.
    »Cady … Cady, was ist das?«, stieß Melissa wimmernd hervor.
    »Ich weiß nicht. Wir müssen noch einmal nachsehen. Es war zu kurz, ich war zu überrascht.«
    »Ich gehe da nicht näher hin, sieh du nach …«
    Cady rüttelte an dem verrosteten Gitter, das sich plötzlich aus der morschen Verankerung löste und scheppernd zu Boden fiel. Dann ging sie über den aufstiebenden Staub hinweg widerstrebend hinein. Melissa hörte ein Rasseln von Ketten und dann den erstickten Aufschrei der Freundin. Gleich darauf kehrte sie zurück, sämtliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, selbst ihre rosigen Wangen waren leichenblass geworden.
    »Wir gehen jetzt«, sagte sie tonlos.
    »Was hast du gesehen?«, flüsterte Melissa erstickt. »Ist … ist es das, was ich … vermute?«
    »Reden wir nicht darüber.«
    »Aber wenn es stimmt …«
    »Sei still!« Cady drängte Melissa gegen die Wand und drohte mit dem Zeigefinger. »Schweig«, fuhr sie heiser fort. »Schwöre mir, dass du schweigst. Wir haben nichts gesehen, nichts gefunden, wir wissen nichts.«
    Tränen rannen Melissa über

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