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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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hartnäckig der fremde Besucher war?
    Es läutete ein zweites Mal, und bedeutend ungeduldiger. Wer konnte das nur sein?
    Es war die Neugier, die es letztlich nicht zuließ, dass er darüber hinweghörte. Seufzend richtete er seinen Mantel, setzte den Gelehrtenhut auf und stapfte zum Eingang. »Wer ist da?«
    »Ein alter Freund. Mach auf!«
    Ian glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. »Keith?«
    »Ja, wer denn sonst? Nun lass mich doch endlich ein, bei allen Hexenwarzen, ich stehe mir hier die Füße in den Bauch!«
    Ian riss die Tür auf und starrte einen wohlbeleibten, um einen halben Kopf kleineren Mann an, der schwitzend auf der Schwelle stand und sich das runde Gesicht mit einem Tuch abrieb. »Eiterbeule und Pestwurz, diese Stadt ist noch mal mein Tod. Ian, sei ein guter Junge und schaff mein Gepäck rein.« Meister Keith Sonnenwein schob sich an Meister Ian Wispermund vorbei, der widerwillig seufzend der Aufforderung nachkam – schließlich hatte er niemanden, der das übernehmen konnte, und Keith machte es sicher nicht selbst. Keith aber watschelte ohne Umweg in die Bibliothek und plünderte die Kristallkaraffen, die auf einer Anrichte standen und goldfarbene Flüssigkeiten enthielten. Zuerst ein Zug direkt aus der Karaffe, dann schenkte er sich ein Glas aus einer anderen Kristallflasche ein.
    »Slént«, bemerkte Ian trocken, stellte die Reisetaschen beiseite und goss sich selbst ein, während Meister Keith sich sehr zu dessen Missfallen in Ians Lieblingsohrensessel plumpsen ließ und die Beine ausstreckte. »Was machst du hier?«
    »Hast du nichts zu essen?«
    »Sicherlich, ich …« Meister Ian stockte und schüttelte dann den Kopf. »Verdammt«, murmelte er leise. Er schlurfte auf die Tür zu. »Warte, ich hole uns etwas. Irgendwelches Zeugs, das noch nicht verschimmelt ist, werde ich schon finden.«
    »Sie fehlen dir, was?«, stellte Keith fest, als Ian mit einem Tablett zurückkehrte, auf dem ein wenig Brot, Schinken und Käse angerichtet war. Keith hatte natürlich keinerlei Anstalten gemacht, ihm dabei zu helfen.
    »Ich bin mit ihnen aufgewachsen und war keinen Tag ohne sie«, sagte Ian und schob einen zweiten, keinesfalls so bequemen Sessel näher zu seinem Gast, und sie bedienten sich. »Selbstverständlich fehlen sie mir, und nicht nur wegen des Haushalts. Ich vermisse ihre Fröhlichkeit, ihre Emsigkeit. In ihrer Nähe gibt es keine schlechte Laune.« Mit einem Teller in der einen und einem Glas in der anderen Hand lehnte er sich zurück und rückte die Augengläser auf seiner Nase zurecht, wobei er beinah den kostbaren Brandy verschüttet hätte. Kritisch blinzelte er über die Gläser hinweg. »Kommen wir zu meiner Ausgangsfrage zurück.«
    Meister Keith zuckte die Achseln. »Kann man nicht einfach mal einen alten Freund besuchen?«
    »Nicht, wenn man steinalt ist und viel zu beleibt für so eine anstrengende Reise, noch dazu ohne Geleitschutz und Dienerschaft, und außerdem, eigenen Worten zufolge, das Reisen hasst.«
    Meister Keith Sonnenwein stammte aus dem äußersten Westen des Südreichs, aus Landend an der Südspitze unten, wo er seit Jahrzehnten seine Studien, unter anderem als Astronom, betrieb. Er studierte auch Speisen und Getränke gern, wie man unschwer erkennen konnte. Dass er Meister Ian als »lieben Jungen« bezeichnete, war ein typisches Beispiel für sein Selbstbewusstsein, denn er war zwei Jahre jünger als der Gelehrte aus Sìthbaile.
    »Alles ist in Aufruhr«, gab Keith als Erklärung. »Und im Übrigen haben sie mir meine Bogins auch weggenommen, und ich will wissen, warum.«
    »Das ist schnell erzählt«, hub Ian an …
    »Ist das dein Ernst? Das ist alles? Ein kleiner zufälliger Mord in deinem Haus, und alle drehen durch? Welcher gemeine Schuft – am Galgen soll er baumeln! – hat übrigens unserem freundlichen Brychan den Garaus gemacht? War das wirklich Tiw?«
    »Selbstverständlich nicht!«, antwortete Ian empört.
    Keith musterte ihn lauernd aus funkelnden Frettchenaugen. »Gar kein Zweifel? Nicht der geringste?«
    »Jetzt nicht mehr«, gab Ian zögernd zu, dass dem nicht immer so gewesen war. »Ich weiß nicht, wer das getan hat, Keith, und ich habe auch nicht den leisesten Verdacht.«
    »Glaubst du, das gilt uns allen?«
    »Nein. Ich bin noch am Leben. Und die vom Palast sind zwar gekommen, um mich zu befragen, doch ich wurde nicht verhaftet.«
    »Worüber haben sie dich denn befragt?«
    »Fionn ist entkommen, genau wie Tiw.«
    »Huff!«, machte Keith und

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