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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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in diesem Raum, die Fionn offenbar erwarteten; er konnte sie nicht genau erkennen, weil sie sich im Schatten aufhielten, und seine Augen waren nach den Tagen von Dunkelheit und Trübnis immer noch nicht vollständig angepasst.
    Eine Gestalt trat jetzt nach vorn ins Licht, kleiner als er, aber kräftiger in der Statur.
    Es war Tiw.

KAPITEL 9
    EINEN BOGIN SIEHT MAN NICHT
    Sie holten sie weiter zum Verhör ab, doch nicht willkürlich. Cady hatte vielmehr den Eindruck, dass die Wachen gezielt vorgingen. Jemand musste ihnen jeweils genaue Anweisungen geben, wer gerade zu holen war. Manchmal nahmen sie nur einen Bogin mit, manchmal bis zu drei. Woran sie sich orientierten, konnte die junge Frau nicht herausfinden, denn sie stellten keine Fragen. Sie schritten die Gitter ab, dann öffneten sie und deuteten auf den oder die Bogin, mitzukommen.
    Und nicht alle kehrten verstört zurück; manche erzählten, es wäre gar nicht weiter schlimm gewesen. Sie seien in einen Raum geführt und auf einen Stuhl gesetzt worden, man habe ihnen ein paar Fragen gestellt – der Fragende sei jedes Mal ein Mensch gewesen –, und diese hätten sie nach bestem Wissen beantworten können. Name, Alter, Zugehörigkeit. Weitere belanglose Fragen, und dann wurden sie zurückgebracht.
    Die Verstörten konnten keinerlei Auskünfte geben, selbst wenn sie ihren Schrecken überwunden hatten und wieder ansprechbar waren. Sie konnten sich an nichts erinnern, und wenn man sie auf den Satz, den sie alle nach der Rückkehr wie unter Trance aufsagten – »Ich habe in das Auge geblickt« – ansprach, so hatten sie keine Erklärung dafür.
    Cady stellte Vergleiche an, wer geholt wurde, und wer verwirrt zurückkam. Zumeist waren es ältere Bogins. Kinder wurden zwar weiterhin ebenfalls festgehalten, aber wenigstens nicht vernommen. Und ein noch größeres Glück war, dass Onkelchen Fasin, der Älteste der Alten, bisher verschont blieb. Alana und Hagán kümmerten sich die ganze Zeit um ihn und sorgten dafür, dass sein Kummer nicht zu groß wurde. Fionns Eltern hielten ohnehin alles zusammen; sie waren die Stärksten von allen, und Cady liebte sie dafür. Auch sie waren bisher nicht geholt worden.
    »Das ist ein wahres Glück«, sagte Cady zu ihnen. »Ich könnte es mir Fionn gegenüber nie verzeihen, wenn …«
    »Kein Glück«, sagte Hagán und legte den Finger an die Lippen.
    »Sei nicht naiv, Kindchen.« Alana sah sie fast ein wenig mitleidig an. »Einen Bogin sieht man nicht.«
    Das begriff Cady nicht.
    »Wir können nicht alle schützen«, fuhr Hagán leise fort. »Deshalb stärken wir sie mit unseren Liedern. Das gibt auch den Armen die Kraft zurück, die ihnen genommen wird.«
    »Kraft … genommen?«
    »Mhm. Irgendetwas saugt sie aus, deswegen kommen sie halb verrückt zu uns zurück. Wir haben uns mit Onkelchen Fasin beraten, und er ist unserer Meinung. Deshalb schützen wir dich, uns, Onkelchen Fasin und noch ein paar andere, so gut es eben in unseren Möglichkeiten steht.« Mehr waren sie nicht bereit preiszugeben.
    Es gab also einen ganz bestimmten Plan. Cady ging keinen Moment mehr davon aus, dass es um den Mord in Meister Ian Wispermunds Haus ging; das war nur ein Vorwand gewesen. Doch wofür? Waren sie tatsächlich zu ihrem Schutz hier unten? Aber weshalb waren einige Bogins dann so verstört und voller Angst, wenn sie zurückkamen? Oder waren hier etwa … zwei Kräfte am Werk, die unterschiedliche Ziele verfolgten? Und was hatten Fionns Eltern mit dem Aussaugen gemeint?
    Fest stand, dass Cady nur dann mehr herausfinden konnte, wenn sie es schaffte auszubrechen. Sie war stolz darauf, überhaupt auf die Idee zu kommen, denn das war so gar nicht Bogin-Art. Doch außergewöhnliche Umstände erforderten außergewöhnliche Entscheidungen, außerhalb dessen, was vertraut und gewohnt war.
    Und dieser Augenblick erschien ihr nicht mehr so fern, denn sie beobachtete das Vorgehen der Wachen ganz genau. Es waren nicht immer dieselben, doch die Zusammensetzung war stets gleich: Zwei Elben, zwei Menschen. Die Menschen holten die Bogins, die munter zurückkehrten, die Elben die anderen. Also … steckten Elben hinter dem Schrecken? Diese Vorstellung raubte Cady fast den Atem. Das wäre … ungeheuerlich! Elben und Verschwörung? Unmöglich! Das wurden allmählich zu viele revolutionäre Gedanken auf einmal; musste sie am Ende an ihrem Verstand zweifeln?
    Andererseits mussten die Menschen mit unter der Decke stecken, denn schließlich waren sie jedes Mal

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