Der Fluch der Halblinge
sollte!«
»Um die Wahrheit herauszufinden«, antwortete Tuagh sanft. »Wie jeder von uns.«
»Ich habe an deinem Geburtstag nichts als die Wahrheit erzählt«, setzte Tiw wieder fort. »Es existiert ein Buch, in dem die Vergangenheit vor dem Großen Krieg beschrieben wird. Und darin ist festgehalten, dass die Bogins vor dem Krieg keine Sklaven waren. Dann aber kam der Krieg und das änderte alles. In dem Buch muss stehen, was geschehen ist, und deshalb müssen wir es finden.«
»Augenblick mal«, unterbrach Fionn. »Du … behauptest noch einmal, dass dieser Krieg tatsächlich stattgefunden hat?«
Morcant der Meersänger mischte sich ein. »Ja, es hat ihn gegeben.«
Cyneweard, ein muskulöser, stolzer Mann mit blonden Haaren und kurzem blonden Bart, sprach feierlich: »Und es gab Peredur, den großen Kriegshelden.«
»Er … er ist also tatsächlich kein Schreckgespenst?« Fionn kratzte der Hals, und er musste husten. Er erinnerte sich an die Unterhaltung im Gasthaus. Jahrzehnte schien das her zu sein.
»Ob etwas an der Geschichte mit dem Herzen dran ist, weiß ich nicht«, sagte Cyneweard, der um die fünfzig Jahre alt sein mochte, »aber Peredur hat existiert.«
»Und wenn das mit dem Herzen stimmt, existiert er vielleicht sogar noch!«, lachte Morcant.
»Da spricht der Romantiker«, sagte Màr spöttisch. »Er kann gar nicht genug Lieder darüber dichten.«
»Und das ist nicht das Schlechteste«, erklärte Hrothgar, der genau wie Valnir Eisenblut eine Rüstung trug. Er mochte Anfang Vierzig sein, trug kurz geschorene braune Haare und besaß braune Augen. Sein Gesicht hatte etwas Bäuerliches, doch seine Bewegungen waren trotz des hinderlichen Metalls fließend und elegant. »Ich glaube daran, dass es das Rittertum gab, das nach dem Ende des Krieges zerschlagen wurde. Und es ist mein Anliegen, das zu beweisen – dass damals die Tugenden der Menschen etwas zählten.«
Ingbar sagte düster: »Wenn Peredur noch existiert, dann als Schatten seiner selbst, als Untoter, dem wir besser nicht begegnen wollen.« Wirre, schwarze Haare hingen ihm in die Stirn und beschatteten seine hellgrünen Augen. Ein schlanker, hochgewachsener Mann, sehnig und ausdauernd, ein guter Läufer. Er lachte wohl nicht sehr oft, seine Stirn wies viele grüblerische Furchen auf. Tiw hatte beschrieben, dass er wegen seiner vielen Zweifel an dem herrschenden System zu der Fiandur gekommen war; deshalb nannte man ihn auch »den Zweifler«. Er war die warnende Stimme, hinterfragte alles, suchte nach verborgenen Tücken, dämpfte jeden Enthusiasmus und brachte Hitzköpfe auf den Boden zurück.
Rafnag meldete sich zu Wort; ein ruhiger, bodenständig wirkender Mann, doch es war nicht von der Hand zu weisen, dass er etwas Vogelhaftes an sich hatte, ähnlich wie Vàkur. Er war dabei, weil er, wie er sagte, eine »Lebensschuld« gegenüber Cyneweard abzutragen habe. »Ich denke durchaus, dass an den Schauergeschichten etwas dran ist. Sie kommen nicht von ungefähr, gerade bei den bodenständigen Bogins.«
»Also sollte erst recht seine Seele erlöst werden!«, schlug Morcant vor, und Fionn musste Màr recht geben: Der Barde war ein Romantiker. Wie es sich für einen Mann seines Standes gehörte.
Tiw räusperte sich und fuhr fort: »Es gab wenige kopierte Seiten aus dem Buch, in deren Besitz mein Magister Brychan kam. Wie, weiß ich nicht. Er verreiste plötzlich für zwei oder drei Tage und kam mit ihnen zurück. Er hat sie gelesen und war sehr verstört. Er schickte Boten los, um eine Versammlung am Hofe der Àrdbéana einzuberufen. Er hielt die Zeit für gekommen, ihr die Fiandur zu offenbaren. Keiner von uns, einschließlich Alskár, hat sie bisher je persönlich getroffen, und sie hat auch nie von der Existenz der Fiandur erfahren. ›Zuerst brauchen wir Beweise‹, hat der Gründer uns ermahnt. Ich habe meinen Magister immer wieder gefragt, was er aus den Seiten erfahren habe, aber er wollte es mir nicht sagen. Er hatte Angst, war wütend, und zugleich seltsam zuversichtlich, dass nun ›alles gut‹ würde, wie er sagte.«
Fionn erinnerte sich an das heimlich belauschte Gespräch zwischen den beiden. Hätte der Magister Tiw nur die Seiten gegeben! Nun hatte sie … ja, wer eigentlich?
»Wer ist der ominöse Feind?«, fragte er in die Runde.
»Ominös trifft es«, sagte Tiw. »Die Fiandur kennt ihn als Dubh Sùil, Schwarzauge. Aber nicht einmal Alskár weiß, ob es sich um einen einzelnen Mann oder um eine Gruppe handelt, und von
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