Der Fluch der Halblinge
gelangst du in einen Waschraum mit Zuber, der mit warmem Wasser gefüllt sein sollte. Essen und Trinken steht auf dem Tisch, und neue Kleidung findest du auch. Bogin-Kleidung. Dort liegt auch dein unversehrter Urram. Reicht das fürs Erste, Eure Lordschaft?«
»Du bist ein …«, setzte Fionn an, und Tuagh sagte schnell: »Ja, der Ansicht sind wir alle, aber das Angebot ist ernst gemeint.«
»Noch ein Wort, und ich setze euch alle vor die Tür!«, schnaubte Dagrim, sah sich dann jedoch vorsichtig um. »Es sei denn, Ziba ist dagegen«, murmelte er.
»Klar, geh nur, der Rest kann warten«, sagte Tiw schnoddrig. »Ist ja nicht mehr so viel, was du noch erfahren solltest.«
»Falls mich das interessiert.« Fionn wandte sich zum Gehen.
»Ach ja, aber da wäre doch etwas, das du vielleicht wissen möchtest, bevor du dich gleich erholst«, rief Tiw ihm nach.
Fionn wollte nicht zuhören, sondern weitergehen, aber er konnte nicht. Er hielt inne, kämpfte mit sich.
»Ist nur ’ne klitzekleine Kleinigkeit, die dich vielleicht interessieren könnte. Und beim Nachdenken helfen. Ich mein ja nur.«
Fionn wusste, dass er schon genug Enthüllungen an diesem Tag zu verdauen gehabt hatte und keine weitere mehr brauchte, die ihn vermutlich endgültig bis in die Grundfesten seines Seins erschüttern würde. Andererseits, weiter nach unten ging es ja nun auch nicht mehr.
»Also, was?«, fragte er auf halbem Wege, drehte aber nur leicht den Kopf auf der Stiege zur Seite.
»Also weißt du, es ist ja keine große Sache. Nur so eine kleine Geschichte, aber ich muss sie loswerden.«
»Im Geschichtenerzählen bist du ganz groß, das ist mir bekannt«, murmelte Fionn. »Und auch, dass du sie allen mitteilen willst.«
»Dann hör mal schön zu. So wie dein Vater bei Meister Ian, stand mein Vater bei Magister Brychan in Diensten. Na ja, wie es halt so ist, er verliebte sich und mein Meister kaufte die Boginfrau, weil mein Vater einfach nicht von ihr lassen wollte, und so kam ich auf die Welt. Und dann … tja, leider erlitt mein Vater einen schweren Unfall und starb. Meine Mutter war untröstlich und wollte nicht mehr bleiben. Weil sich sowieso gerade eine große Veränderung ergab, verkaufte mein Magister sie weiter, und bei ihrem neuen Meister verliebte sie sich dann doch noch einmal und bekam wiederum einen Sohn, und dabei blieb es, und sie lebten alle drei glücklich zusammen. Ob bis ans Ende ihrer Tage, wird sich allerdings erst noch erweisen müssen, weil gerade alle ziemlich in der Scheiße sitzen.«
Fionn spürte, wie sämtliches Blut aus seinem Gesicht wich, und er wandte sich langsam zu Tiw um.
Der hob die Arme und grinste breit. Wenn er nicht gerade griesgrämig war, bereitete es ihm diebisches Vergnügen, andere zu foppen, auf den Arm zu nehmen, oder schlicht und ergreifend mit etwas zu erschlagen, das er »keine große Sache« nannte.
»Schätze, das ist unsere Geschichte, kleiner Bruder.«
KAPITEL 11
GERÜSTET UND BEREIT, DOCH WOHIN?
Tuagh klopfte nicht einmal an, er kam einfach herein.
»Ich sagte doch, ich will meine Ruhe haben! Welchen Teil davon hast du nicht verstanden?« Fionn schlug mit der flachen Hand aufs Wasser. Er wusste, wie er aussah; dass seine Augen gerötet waren vom Weinen, dass er trotz der Wärme des Wassers fror, dass seine Gefühle wie ein Wirbelsturm auf und ab schwangen und die Gedanken in seinem Kopf herumschleuderten.
»Immer noch wütend?«, fragte der Wanderkrieger überflüssigerweise und zog einen Stuhl zum Zuber, auf den er sich rittlings setzte und leicht mit der Lehne nach vor und zurück kippelte.
»Ja! Ich weiß nicht, ob ich dir oder Tiw jemals verzeihen kann! Gerade von dir bin ich enttäuscht. Du kannst mir tausend Gründe nennen, es ändert nichts.«
Tuagh nickte und kippelte weiter. Schweigend.
Fionn lehnte sich zurück und presste den Schwamm gegen seinen schmerzenden Kopf. »Aber genauso wenig hilft es mir«, sagte er schließlich. »Wir ziehen alle am selben Strang, allesamt stecken wir drin.«
»Ich sagte es bereits. Jeder von uns musste eine ähnliche Prüfung durchlaufen wie du«, erklärte Tuagh. »Wir wussten alle nicht, was uns erwartete.«
»Du auch?«
Der Wanderkrieger nickte. »Nachdem ich meine Familie verloren hatte, wanderte ich durch ein dunkles, tiefes Tal und hätte vielleicht nie mehr herausgefunden. Die Fiandur … gab mir wieder ein Ziel. Ich wurde rekrutiert, aber zugleich wurde ich auch geprüft, ob ich des Vertrauens wert war. Ob ich genug
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