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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und Untergewand noch weiter auf, bis seine Brust halbnackt war. Danach zerrieb sie einige kräftig riechende Kräuter auf seiner Haut, sprach ein Gebet und legte ihre warmen Hände über Ottos altes, müdes Herz. Alle Gedanken richtete sie darauf, ihre Ruhe auf ihn überfließen zu lassen und mit ihrer Wärme und ihrem Lebenswillen dem alten Fürsten Kraft zu spenden.
     
    Der gesamte markgräfliche Bezirk des Meißner Burgberges schien wie gelähmt von dem Geschehen. Gespräche wurden nur verstohlen geführt, die Diener liefen auf Zehenspitzen.
    Die Ritter saßen in der Halle, aßen und tranken, sofern ihnen danach zumute war, aber auch hier wurde kaum gesprochen.
    Lukas wusste, dass die Blicke der Männer immer wieder zu ihm wanderten – wohl in der Annahme, er wüsste, was jetzt in der Kammer des Markgrafenpaares vor sich ging, weil sich seine Frau dort aufhielt.
    Dabei schien ihm eher wahrscheinlich, dass er Marthe nun tagelang kaum zu sehen bekam, bis es Otto wieder besserging. Über einen anderen Ausgang der Ereignisse wollte er gar nicht erst nachdenken.
    »Sie haben noch keinen Priester rufen lassen«, sagte jemand in die Stille hinein – wohl um die Hoffnung auszudrücken, dass es demnach so schlimm noch nicht stehen konnte.
    Schließlich hatte Lukas es satt, in der Halle herumzusitzen, und ging hinauf. Hartmut hatte erwartungsgemäß ein paar zuverlässige Leibwachen vor der Tür postiert, und so bot Lukas an, ebenfalls eine Wache zu übernehmen. Irgendwann würde sich Marthe schon blicken lassen. Vielleicht gab es etwas, das er tun konnte.
    Nach einer ganzen Weile kam Susanne heraus und flüsterte einer der draußen wartenden Kammerfrauen Anweisungen für den Küchenmeister zu. Dann verschwand sie wieder in der Kammer, ohne dass Lukas einen Blick hinein erhaschen konnte.
    Es schien ihm Stunden zu dauern, bis etwas geschah, abgesehen davon, dass etwas aus der Küche gebracht wurde.
    Endlich trat Marthe aus der Kammer, die sicher von Susanne wusste, dass er hier wartete.
    Er zog sie kurz beiseite. »Wie geht es ihm?«
    »Wenn er diese Nacht übersteht, kann er noch einige Zeit leben«, sagte sie erschöpfter denn je und strich sich müde über die Augen. »Doch er wird aller Voraussicht nach nie wieder aufstehen und vielleicht auch nicht mehr sprechen können.«
    »Ist deshalb noch kein Priester bei ihm gewesen?«, fragte Lukas beklommen.
    Marthe schüttelte den Kopf. »Er schläft jetzt, das ist am besten so. Aber ich muss bei ihm bleiben.«
    »Soll ich etwas für dich bringen lassen? Etwas von deinen Arzneivorräten?«
    Sie schüttelte nur den Kopf.
    Als Lukas sah, dass sie fröstelte, nahm er seinen Umhang ab und legte ihn ihr um die Schultern. »Wenn meine Wache vorbei ist, werde ich in die Kapelle gehen und für ihn beten«, sagte er leise.
    »Das sollten wir alle.«
     
    Es vergingen quälend lange Tage, bis der Markgraf wenigstens in dem Zustand war, dass er mit fremder Hilfe aufgesetzt werden konnte und Hedwig ihm etwas wässrigen Brei oder Brühe einflößen konnte.
    Alles, woran er sich hätte verschlucken und ersticken können – Fleischfasern oder Brotstückchen –, hatte Marthe strengstens untersagt.
    Der Markgraf war auf einer Seite vollständig gelähmt, was ihm das Sprechen unmöglich machte und sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrte. Verständigen konnte er sich mit ein paar Lauten, um so seinen Willen oder Unwillen kundzutun.
    Hedwig sorgte dafür, dass niemand außer Marthe und Susanne den alten Fürsten in diesem Zustand zu sehen bekam. Nach außen hin hieß es, er sei auf dem Wege der Besserung – was den Tatsachen entsprach, allerdings nicht berücksichtigte, dass er wohl von seinem Krankenlager nicht wieder aufstehen würde.
    Die Markgräfin hatte einen Boten mit einem Brief zu ihrem Schwager Dedo nach Rochlitz reiten lassen. Darin bat sie den Markgrafen der Ostmark, seinen Medicus nach Meißen zu schicken, den er in höchsten Tönen gelobt hatte. In Meißen war derzeit kein Arzt aufzutreiben – wohl auch deshalb, weil Otto einen nach dem anderen von der Burg gejagt hatte und sich mit Marthes Verordnungen gegen die Gicht zufriedengab. Doch jetzt wurde ein Arzt gebraucht, das war auch Marthe klar.
    Dedo schickte seinen Medicus umgehend, einen rundlichen Mann in übertrieben verziertem Gewand. In Hedwigs und Marthes Beisein warf er einen kurzen Blick auf den Kranken und verkündete munter: »Er muss täglich zur Ader gelassen werden. Wenn morgen keine Besserung eintritt,

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