Der Fluch der Hebamme
werde ich ihm das Haar scheren und ein Kreuz in seine Kopfhaut schneiden, damit das Böse entweicht, das seinen Körper befallen hat.«
Schon dabei, seine Gerätschaften auszupacken, entging ihm der entsetzte Blick, den die beiden Frauen in der Kammer miteinander tauschten.
»Danke für Euer Kommen. Aber Eure Dienste werden hier nicht benötigt«, erklärte Hedwig mit Nachdruck.
Verwundert fuhr der Medicus herum, schon mit dem spitzen Messer in der Hand.
»Ihr versteht nicht, Fürstin! Wir müssen die Dämonen vertreiben, die seinen Körper schwächen! Dafür reichen nicht allein Gebete. Ich muss eine Öffnung in seinen Kopf schneiden, damit sie herauskönnen.«
»
Ihr
versteht nicht!«, erwiderte die Markgräfin ungehalten. »Packt Eure Sachen auf der Stelle wieder ein und verlasst diese Burg! Ein Diener wird Euch für die Reise entlohnen. Aber nähert Ihr Euch meinem Gemahl noch einen einzigen Schritt, lasse ich Euch von den Wachen hinauswerfen!«
Hedwig rang nun selbst nach Atem vor Aufregung. Im Gesicht ihres Mannes glaubte sie so etwas wie Dankbarkeit zu erkennen. Die ohnehin schon verzerrten Züge Ottos waren angesichts des angekündigten Eingriffs, gegen den er sich in seinem Zustand nicht einmal hätte wehren können, geradezu furchteinflößend geworden.
»Ihr verspielt das Seelenheil Eures Gemahls!«, zischte der Medicus erbost, während er seine Messer wieder in ein blutbeflecktes Tuch rollte.
»Darum werden sich die Geistlichen kümmern«, hielt sie ihm kaltblütig entgegen. Der Medicus begriff, dass man ihn hier nicht gewähren lassen würde und er besser schleunigst das Weite suchte.
Närrische Weiber, allesamt mit Blindheit geschlagen! Hoffentlich würde man ihm wenigstens die beschwerliche Reise anständig vergelten!
Auf Hedwigs Bitte besuchte der grauhaarige, füllige und mit kostbaren Ringen geschmückte Dompropst Dittrich von Kittlitz den Kranken. Er war in Abwesenheit des Bischofs der ranghöchste Geistliche in der Diözese. Es wurde eine lange Unterredung unter vier Augen – obgleich Otto kaum reden konnte.
»Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit, der Herr wird ihn bald zu sich berufen. Euer Gemahl soll seinen Bruder und seine Kinder ans Sterbelager rufen, um sich von ihnen zu verabschieden«, wiederholte der Propst vor Hedwig, was er soeben dem Todkranken ans Herz gelegt hatte.
»Auch Albrecht?«, fragte die Fürstin beunruhigt. Sie selbst hatte es nicht gewagt, vor Otto die Rede auf seinen Erstgeborenen zu bringen, um ihn nicht erneut aufzuregen. So groß war ihre Sorge, allein die Frage könnte den Zustand ihres Mannes verschlechtern. »Und Ihr wisst, Ehrwürdiger, dass unser jüngster Sohn mit dem Kaiser und dem Bischof auf Pilgerfahrt nach Jerusalem gegangen ist?«
Der Geistliche hob missbilligend die eisgrauen Brauen.
»Über den Pilgerfahrer wird der Herr Seine schützende Hand halten«, erklärte er ungeduldig. »Aber wenn der Fürst nicht seinen Frieden mit seinem erstgeborenen Erben schließt, kann er nicht in Güte vom himmlischen Vater empfangen werden.«
Mit schweren Schritten und strenger Miene ging er hinaus.
Hedwig wartete, bis Otto wieder ruhig schlief, und suchte Rat bei Lukas und Raimund, der nach einer Nachricht von Lukas sofort von seinem Gut im Muldental bis nach Meißen durchgeritten war. Von allen Rittern bei Hofe vertraute sie diesen beiden am meisten.
»Sollen wir wirklich Albrecht hierherkommen lassen? Wahrscheinlich steckt er ohnehin noch mitten in irgendeiner Belagerung und kann nicht fort«, sagte Hedwig, um vor sich selbst zu rechtfertigen, dass sie diese Entscheidung einfach nicht zu treffen wagte.
»Er erfährt es sowieso. Vielleicht weiß er es schon«, hielt Lukas dagegen. »Es wird hier mehr als genug Leute geben, die sich mit diesen Neuigkeiten bei ihm beliebt machen wollen.«
»Deshalb sollten wir Reinhard schicken, und zwar so schnell es geht«, schlug Raimund vor. »Wir hätten es längst tun sollen! Albrecht würde sich sehr wundern, wenn er das nicht von ihm zuerst erfährt.«
Lukas überlegte und wog die Möglichkeiten ab.
»Sendet Boten zu Euren Töchtern und zu Albrecht«, meinte er nachdenklich zu Hedwig. »Dann werden wir sehen, ob, wann und wie er kommt. Ihr habt mein Wort: Ich werde ihn mit allen Mitteln daran hindern, das Gemach seines Vaters zu betreten, wenn Ihr auch nur den geringsten Verdacht habt, es könnte Euerm Gemahl schaden. Ganz gleich, welche Folgen das für mich hat. Das bin ich ihm und Euch
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