Der Fluch der Hebamme
sichern. Wahrscheinlich wird er mir sogar seine ergebensten Empfehlungen an ihn mitgeben.«
Reinhard saß immer noch auf der Bettkante und schien die Kälte nicht zu spüren. Im Kerzenlicht sah sie, dass etwas in ihm arbeitete, und fühlte sich zunehmend beunruhigt.
Er nahm ihre Hände, zögerte einen Augenblick und sagte dann sehr beherrscht: »Clara, ich weiß, dass du mich nicht zum Mann haben wolltest. Und ich weiß nicht, wann und ob ich wiederkomme. Würdest du … während meiner Abwesenheit … dann und wann eine Kerze aufstellen und ein Gebet für mich sprechen? So, wie ich für dich und unser Kind beten werde?«
Einen Augenblick lang wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Worte schienen jetzt nur zu stören, also schmiegte sie sich einfach an ihn.
Er starrte geradeaus und strich über ihr Haar. »Bitte gib ihm meinen Namen, wenn es ein Junge wird. Und wenn es ein Mädchen wird, soll es nach meiner Mutter heißen.«
»Du kommst wieder. Ich weiß es. Aber ich werde jeden Tag für deine Rückkehr beten«, flüsterte Clara. »Denn … du wirst mir fehlen, solange du fern von mir bist …«
Sie konnte sein Lächeln nicht sehen in der Dunkelheit. Aber sie konnte es spüren.
November 1189, Byzantinisches Reich
D ichter schwarzer Rauch stieg über Philippopel auf, dazwischen wirbelte die Hitze des Feuers Funken in erstaunliche Höhen. Die ganze Stadt brannte. Doch niemand kam schreiend aus dem Flammenmeer gerannt.
Philippopel war längst verlassen, und nun beobachteten die Kämpfer Friedrichs von Staufen in einer halben Meile Abstand von der Stadtgrenze, wie die Häuser, in denen einst Tausende von Menschen wohnten, zu Schutt und Asche wurden.
Der Wind trieb beißenden Rauch zu ihnen hinüber; ein paar der Männer mussten husten, andere pressten sich einen Arm vor die Nase, um nicht den feinen Ruß einzuatmen.
Die Stadt war zu Thomas’ Erleichterung schon verlassen gewesen, als das Heer Friedrichs von Staufen sie nach Kaiser Isaaks Verrat gestürmt hatte – so wie die meisten Ortschaften zuvor, durch die sie gezogen waren.
Sie hatten dort Quartier bezogen und sich aus den Vorratskellern geholt, was zu finden und zu gebrauchen war. Doch diese Beute und auch die Ernte von den Weinbergen reichten nicht lange, um ein Heer solcher Größenordnung für längere Zeit zu versorgen. Also unternahmen einzelne Abteilungen immer größere Streifzüge in das umliegende Land: um feindliche Truppen niederzuzwingen, die sich in ihrer Nähe sammelten, um Burgen und Städte zu erobern und Essensvorräte und Futter für die Pferde zu erbeuten.
Währenddessen zogen sich die Verhandlungen mit dem byzantinischen Kaiser ergebnislos dahin. Die Zusagen von Isaak Angelos waren zu fragwürdig, als dass Friedrich von Staufen ihnen Glauben schenkte. Woche um Woche verstrich, und bald stand fest: Das Heer würde in diesem Teil des Byzantinischen Reiches überwintern müssen. Sie konnten um diese Jahreszeit nicht mehr über das Meer nach Kleinasien übersetzen und schon gar nicht im Winter durch die unwirtlichen Steppen marschieren, die sie dort erwarteten.
Also wählte der Kaiser die Stadt Adrianopel zum Winterquartier für seine Männer, die auf halbem Weg zwischen Philippopel und Konstantinopel lag, kaum mehr als hundert Meilen von Konstantinopel entfernt. Und zur Mahnung für Isaak Angelos, der das gewaltige Heer des Staufers nun nur noch ein paar Tagesmärsche von sich entfernt wusste, ließ er Philippopel niederbrennen.
Auch Adrianopel war menschenleer, als das Heer die Stadt erreichte. Viele der Kämpfer wurden ungeduldig. Sie wollten längst im Heiligen Land sein; stattdessen saßen sie hier fest, wo sie wie Feinde behandelt wurden statt als Verbündete und für jedes bisschen Proviant meilenweit die Gegend durchstreifen mussten. Statt Jerusalem zu sehen, hockten sie in dieser Einöde und konnten nichts tun als warten, bis das Frühjahr kam – und bis sich der byzantinische Kaiser endlich an sein Versprechen erinnerte, ihnen Schiffe für die Überfahrt zu stellen.
Doch ein ungeduldiges Heer war auch ein besonders gefährliches Heer.
Um Isaak Angelos zum Nachgeben zu zwingen, ordnete Friedrich von Staufen an, das Land bis vor die Tore Konstantinopels zu verwüsten. Aufgebracht vor Wut über die Berichte der endlich freigelassenen Gesandten, die mit deutlichen Spuren der Misshandlung ins Lager zurückgekehrt waren und bestätigten, dass der byzantinische Kaiser auf Saladins Seite übergewechselt war, ritten
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