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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wortlose Albrecht auf einmal aus seiner Erstarrung zu erwachen.
    »Hinaus! Alle!«, brüllte er zur Verwunderung der Anwesenden und streckte den Arm zum Zelteingang.
    Sein Ausbruch kam dermaßen unerwartet, dass sogar Konrad von Groitzsch beschloss, das Weite zu suchen, obwohl ihm sein missgestimmter Vetter eigentlich keinen Befehl erteilen konnte.
    Elmar warf einen prüfenden Blick auf Albrecht und wog ab, ob er bleiben und auf ihn einwirken sollte. Doch dann entschied er, dass es im Moment wohl klüger wäre, der Aufforderung Folge zu leisten. Sollte sich der junge Herr erst einmal beruhigen. Er würde später mit ihm reden, wenn die Wirkung des Weines nachgelassen hatte und Albrecht nicht mehr ganz so unberechenbar war. Also gab er den anderen Männern das Zeichen, ihm zu folgen, und trat mit ihnen hinaus ins Freie. Um den beschämenden Zwischenfall zu überspielen, geleiteten sie den Grafen von Groitzsch zu seinem Lager. Dann kehrten sie zurück und warteten vor dem Zelt, bis sie erneut gerufen würden.
     
    Als Albrecht allein war, stürzte er zu dem zinnernen Krug mit dem lauwarmen Würzwein und goss sich den Becher voll. Er trank mit gierigen Zügen, dann schleuderte er den Becher zu Boden, ließ sich auf den Stuhl sinken und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    Reinhards Bericht ließ keinen Zweifel daran, dass es die Aufregung um die Gefangennahme und die befohlene Aussöhnung war, die dem alten Markgrafen so zugesetzt hatten, dass ihn der Schlagfluss traf.
    Ich habe meinen Vater getötet!
    Bei dieser Vorstellung erfasste ihn tiefes Grauen. Ja, er hatte sich gegen seinen Vater erhoben, sich schwer an ihm versündigt, ihn verhöhnt und ihn gedemütigt. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn zu töten. Aber das waren nur Gedanken! Viel lieber wäre es ihm gewesen, wenn es diesen Streit nicht gegeben hätte, wenn sein Vater ihn in den letzten Jahren so geschätzt hätte wie früher!
    Er wollte seine Anerkennung, sein Lob. Das wurde ihm erst jetzt richtig bewusst, da sein Vater dem Tode nah war. Insgeheim hatte er sich immer gewünscht, von seinem Vater geliebt zu werden. Ganz besonders, seit seine Mutter auch noch ihrem Gemahl einflüsterte, den jüngeren Bruder vorzuziehen.
    Er muss mir vergeben!, dachte Albrecht verzweifelt. Ich muss nach Meißen, bevor er stirbt, sonst bin ich verdammt.
    Und ich kann nicht ohne seinen Segen herrschen. Ich brauche seine Vergebung, wenn ich von nun an nicht Tag für Tag argwöhnen muss, dass jeder, der mir gegenübertritt, mich an dem alten Markgrafen misst und für weniger befindet …
    Er verschränkte die Hände und ließ die Stirn darauf sinken. Allmächtiger Herrscher im Himmel, vergib mir meine Schuld und sorge dafür, dass auch mein Vater sie mir vergeben kann, bevor Du ihn zu Dir rufst!, betete er stumm.
    So saß er eine schier endlose Zeit.
    Bis er sich schließlich erhob, zum Eingang wankte und lauthals befahl, alles für den schnellen Aufbruch vorzubereiten.
    Er musste sofort zum König, ihn um Erlaubnis bitten, dass er das Feldlager verlassen durfte, um ans Sterbebett seines Vaters zu reisen. Sonst würde er vielleicht zu spät kommen. Zu spät, um noch Vergebung zu finden.
     
    König Heinrich war bei schlechter Laune, und das lag nicht – wie zu vermuten wäre – an der gescheiterten Belagerung, während der Löwe einen Sieg nach dem anderen davontrug.
    Der junge und ehrgeizige König war nur noch mit halber Sache bei dem Kriegszug gegen den Welfen. Sollte sich der Herzog von Sachsen mit seinem Widersacher herumschlagen!
    Er hatte viel dringlichere Nachricht aus Sizilien erhalten. Ohne einen unmittelbaren Nachkommen war überraschend der normannische König Wilhelm gestorben. Heinrichs Frau Konstanze war dessen Tante und hatte berechtigte Erbansprüche auf den Thron. Doch Gerüchten zufolge wollten die Barone stattdessen diesen Winzling von einem Bastard zum König machen, diesen Tankred von Lecce. Das war eine ungeheure Beleidigung; das konnte er einfach nicht hinnehmen. Und Sizilien – das reichste Land Europas – war etwas, für das sich ein Kriegszug allemal lohnte.
    In Gedanken bereits auf dem Weg dorthin, erteilte er deshalb dem jungen Wettiner großzügig die Erlaubnis, ans Sterbebett seines alten Vaters zu reisen.
    »Ich erwarte Euch bald zurück«, gab er Albrecht mit auf den Weg. Dabei verwunderte ihn, dass dieser einen so aufgewühlten, ja bestürzten Eindruck machte. Schließlich hatte er doch seinen Vater erst vor einem halben Jahr

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