Der Fluch der Hebamme
ein halbes Dutzend Reisige hatten mit ihren Pferden ein paar Einheimische umkreist, die in einer fremden Sprache um Gnade flehten und die leeren Hände ausgestreckt hielten. Vielleicht hatten sich die zu Tode Verängstigten in den Wäldern versteckt und wollten nur kurz ins Dorf zurückkehren, um ihre letzte Habe vor dem Feuer zu retten.
Mit einer beiläufigen Bewegung zog einer der Ritter sein Schwert und schlug dem hagersten der Dörfler den Kopf ab. Dann blaffte er einen Befehl; die Reisigen saßen ab, stießen die Frauen zu Boden und hielten sie fest. Es war unverkennbar, dass sie am liebsten sofort über sie hergefallen wären, aber ihre Herren, die gemächlich aus den Sätteln stiegen, hatten das Vorrecht.
Thomas schloss zu Humfried von Auenweiler auf, der sein Pferd nun etwas langsamer traben ließ.
»Das können wir nicht zulassen!«, sagte er fordernd, selbst zweifelnd, ob der Auenweiler das wohl genauso sah. Auch wenn es nach einem Machtwort Dietrichs keine offenen Feindseligkeiten mehr zwischen ihnen gab, so waren sie doch alles andere als Freunde.
Der Auenweiler starrte ihn an, dann verdrehte er die Augen und knurrte: »Meinetwegen! Aber irgendwann wird auffallen, dass Ihr immer nur Ärger macht.« Er befahl den Knappen, sich hinter ihnen zu halten, grinste und gab seinem Pferd die Sporen.
»Auseinander!«, brüllte er die Reisigen an, die nun mit lauten Rufen die Ritter anfeuerten, die über den schreienden Frauen knieten und ihnen die Beine auseinanderzwängten.
»Lasst die Weiber gehen!«, brüllte Humfried aus dem Sattel.
»Erst, wenn wir alle dran waren, Alter«, antwortete einer der Reisigen, der bereits sein Glied aus den Kleidern geholt hatte und es dem Auenweiler protzend zeigte. »Oder wollt Ihr sie auch noch haben?«
Der Auenweiler zog sein Schwert und schlug dem unflätigen Burschen mit einem Hieb den Kopf ab.
Das lenkte die Aufmerksamkeit der beiden Ritter auf ihn.
»Ihr stecht meine Leute ab?«, schrie der jüngere von ihnen, der gerade seine Gewalttat vollendet hatte. »Die eigenen Leute? Was gibt Euch das Recht dazu?«
»Ihr seid nicht meine Leute. Und ich bin heute nicht in der Stimmung für so etwas«, schnauzte der Auenweiler. »Lasst die Weiber gehen und verschwindet, ehe ich Euch vors Kriegsgericht bringe!«
Schluchzend starrten die Frauen auf die Neuankömmlinge und versuchten, die zerrissenen Kleider über den entblößten Leibern zusammenzuraffen. Wie Thomas jetzt erst erkannte, waren es Mädchen, kaum älter als zehn oder zwölf.
Die fremden Ritter hatten inzwischen ihre Kleider halbwegs geordnet und nach den Schwertern gegriffen.
»Wollt Ihr Euch wirklich mit uns anlegen – wegen ein paar Bauernhuren?«, fragte der Jüngere, und in seinen Augen flackerte etwas, das allen klarmachte, gleich würde noch mehr Blut fließen. Als der Auenweiler nur verächtlich ausspuckte und sein Schwert fester packte, rief der Fremde seinen Männern zu: »Lasst keinen von ihnen am Leben!«
Jäh drehte er sich um und holte mit der Klinge aus, um Radomir den Kopf abzuschlagen. Thomas konterte mit einem blitzschnellen Unterhau; Hand und Schwert des Angreifers flogen durch die Luft und fielen zu Boden.
Im nächsten Augenblick waren alle in einen kurzen, aber mit äußerster Gewalt geführten Kampf verwickelt. Sie hieben so wuchtig aufeinander ein, als könnten sie damit all ihre Wut über den Verlauf der letzten Wochen loswerden.
Wenig später lagen drei der fremden Reisigen tot am Boden, die anderen wurden gefesselt und auf ihre Pferde gehievt, ebenso der ältere Ritter, der wüste Verwünschungen ausstieß gegen die Ehrlosen, die ihre eigenen Leute angegriffen hätten. Wütend brachte ihn der Auenweiler mit einem Fausthieb zum Schweigen. Die Dörfler hatten sich längst davongemacht und waren im Wald verschwunden.
Thomas ging zu dem Verletzten, der stöhnend auf dem Boden kniete und seinen blutenden Armstumpf hochhielt, und band die Wunde mit einem Gurt ab. Die Verwünschungen hallten noch in ihm nach. Jetzt habe ich nicht nur Christen, sondern sogar Christen aus dem eigenen Lager getötet, dachte er. Was kommt als Nächstes?
Suchend drehte er sich um und wollte Rupert befehlen, die Waffen der Gefangenen einzusammeln. Als er ihn entdeckte, glaubte er, das Herz würde ihm stehenbleiben: Rupert kniete heulend auf der Erde und wiegte Philipps blutüberströmten Körper in den Armen. Der junge Knappe war tot. Ein Schwerthieb hatte ihm die Kehle zerfetzt.
Das ist meine Schuld, dachte
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