Der Fluch der Hebamme
erkennen – ließ ihn für eine Weile so verharren.
»Wenn Ihr der ewigen Verdammnis entgehen wollt, dann schließt wirklichen Frieden mit Euerm Vater.«
Dittrich brauchte keine Strenge mehr in seine Worte zu legen, er hatte auch so Albrechts empfindlichste Stelle getroffen: die Furcht des jungen Fürsten vor dem Höllenfeuer.
»Ich werde Euch jetzt die Beichte abnehmen, dann könnt Ihr geläutert vor Euern Vater treten und ihn um Vergebung bitten.«
Er streckte Albrecht die Hand entgegen, der sie zögernd ergriff und den Saphirring küsste. Dann erhob er sich und folgte dem Geistlichen, in Gedanken bereits voller Sorge, welche Buße ihm auferlegt würde.
Als Albrecht in Begleitung des Dompropstes zurückkehrte, ging Hedwig zunächst allein in die hintere Kammer, in der der Sterbende lag. Kurz darauf kam sie wieder heraus, gefolgt von Marthe.
»Er erwartet Euch. Aber er darf sich nicht aufregen.«
Otto saß in seinem Bett, mit dicken Kissen im Rücken, gegen die er gelehnt war. Er trug ein prachtvoll besticktes Gewand, sein schlohweißes Haar war gekämmt, der Bart sorgfältig gestutzt. Alles an seiner äußeren Erscheinung war darauf gerichtet, ihm von seiner Würde zurückzugeben, was er durch den entstellten Gesichtsausdruck und die Unfähigkeit, zu sprechen, eingebüßt hatte.
»Der Herr in Seiner unendlichen Güte bietet Euch jetzt die Gelegenheit, miteinander Frieden zu schließen«, sagte Dittrich von Kittlitz mild und doch auffordernd zugleich.
Nach einem Moment des Schweigens zog er sich zum Fenster zurück. Er würde auch dort jedes Wort verstehen, das in diesem Raum gesprochen wurde.
Albrecht verharrte reglos beim Anblick seines todkranken Vaters. Dann trat er zögernd an das Bett, kniete nieder und senkte den Kopf.
»Ich weiß, dass Ihr mir beim Hoftag nicht wirklich vergeben habt, Vater. Aber vielleicht tut Ihr es jetzt …«
Nun hob er den Kopf und sah seinem Vater in die Augen.
»War ich Euch nicht all die Jahre ein guter Sohn? Wart Ihr nicht stolz auf mich, auf meine Kühnheit, meine Entschlossenheit? Habt Ihr nicht immer darauf vertraut, dass ich Euer Werk fortführen werde, wie Ihr es Euch wünscht?«
Ottos Gesicht blieb ohne erkennbare Regung. Nur seine Augen waren fest auf den Sohn gerichtet.
Albrecht atmete tief durch, bevor er weitersprach. »Habt Ihr Euch nicht auch gegen Euern Vater versündigt, weil er Euch kränkte? Ihr seid sogar seinem Begräbnis ferngeblieben. Seht,
ich
bin
hier!
Ich habe mir vom König Erlaubnis geben lassen, sein Heerlager zu verlassen, um jetzt bei Euch zu sein. Was hättet Ihr denn getan, wenn Euer Vater Euch das Erbe verwehrt hätte?
Ihr
musstet nicht so eine große Sünde auf Euch laden wie ich. Ihr hattet das Glück, dass Eure Mutter sich nie in die Geschäfte Eures Vaters einmischte. Deshalb vergebt mir und gebt mir Euern Segen als Euer Nachfolger, der Euer Erbe würdig weiterführt!«
Albrecht griff nach einer Hand seines Vaters, die kraftlos auf dem Laken lag, umklammerte sie mit beiden Händen und legte seine Stirn darauf.
Hatte er auf ein Wunder gehofft? Auf ein einziges nachsichtiges Wort? Unsicher sah er hinüber zu dem Propst. Doch Dittrich von Kittlitz schwieg.
Albrecht hielt die Hand seines Vaters, bis er merkte, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Er ließ los, und der Arm des Sterbenden fiel schlaff zurück.
Kein Wort, nicht einmal einen zustimmenden Laut hatte der Alte von sich gegeben! Er starrte ihn nur an wie ein fremdartiges Wesen, unerbittlich, und beschwor damit erneut die Schreckensbilder herauf, die seinem Sohn vor Jahren das Leben zur Hölle gemacht hatten.
»Euren Segen, Vater!«, flehte Albrecht verzweifelt.
Nun räusperte sich Dittrich von Kittlitz. »Dafür müsst Ihr Zwiesprache mit Gott halten. Euer Vater vermag Euch nicht mehr zu antworten.«
Schlimmeres hätte er nicht sagen können.
Mit einem Ruck stand Albrecht auf. Ohne ein weiteres Wort stürmte er aus der Kammer, vorbei an seiner Mutter und seinen Schwestern. Hastig lief er durch die Gänge des Palas, die Blicke derer nicht beachtend, die ihn ängstlich anstarrten, auf der Suche nach einem Ort, wo er ganz für sich allein sein konnte. Doch es gab hier keinen Ort, an dem jemand wie er allein sein konnte.
Also stürzte er zu den Ställen und ließ sich seinen Hengst satteln. Sein Truchsess folgte ihm und wollte eine Leibwache mitschicken, doch Albrecht brüllte nur: »Fort!«
Dann ritt er los, in mörderischem Galopp den Burgberg hinab und
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