Der Fluch der Hebamme
Nichtstun verspielen?«, mahnte er in ungebührlich strengem Ton. »Noch vor ein paar Wochen hat Euch jedermann gefürchtet oder bejubelt. Und nun? Ihr müsst handeln, sonst wird man über Euch spotten. Schickt Eure Mutter umgehend auf ihren Witwensitz, damit sie hier keine Ränke gegen Euch schmiedet, und lasst Euch von Euren Vasallen Treue schwören, bevor sie sich gegen Euch verschwören! Dann geht auf einen Umritt und zeigt jedermann, dass nun ein neuer, tatkräftiger Mann das Geschick der Mark lenkt!«
Elmar sprach nicht wie ein Truchsess zu seinem Fürsten, sondern wie ein unzufriedener Vater mit seinem missratenen Sohn. Er kannte Albrecht gut genug, um zu wissen, dass dieser genau das im Moment brauchte. Irgendetwas hatte dem Burschen das Mark aus den Knochen gesogen, und den wahren Grund dafür hatte er noch nicht gefunden.
Sicher, der Tod des Vaters war ein schlimmes Ereignis, und Elmar konnte sich ebenfalls denken, dass der Dompropst seine Stellung ausgenutzt hatte, um den neuen Fürsten zu maßregeln. Das zur Buße auferlegte strenge Fasten sagte genug.
Aber das nun wirklich nicht überraschend gekommene Ende des alten Markgrafen und ein durchtriebener Pfaffe reichten seiner Meinung nach nicht aus, um einen Kerl wie Albrecht dermaßen saft- und kraftlos werden zu lassen.
Fordernd streckte der Fürst die Hand nach dem Becher aus, aber Elmar zog ihn entschlossen an sich und schob dafür die Bratenplatte noch näher zu ihm, die der Küchenmeister nach einigen zaghaften Einwänden gefüllt hatte – schließlich war Fastenzeit.
»Ihr solltet endlich etwas essen, und zwar edles Wild, üppig gewürzt, statt nur trockenes Brot. Ihr müsst bei Kräften sein für die Aufgaben, die vor Euch liegen. Und was soll das Volk von Euch denken, wenn Ihr nur esst wie ein Bauer, statt zu tafeln wie ein Fürst?«
»Ihr wisst, dass ich vierzig Tage strenges Fasten auferlegt bekommen habe!«, fauchte Albrecht zurück.
»Ja, das weiß ich. Und ich denke, dieser Pfaffe treibt ein übles Spiel mit Euch. Ihr habt Euch nun schon vier Tage mit Brot und Bier begnügt, sogar beim Leichenschmaus, und der Pöbel hat sich mehr als genug darüber die Mäuler zerrissen. Wenn sich die Leute fragen, welch schlimme Sünde Ihr wohl begangen habt, könnte das Zweifel an der Rechtmäßigkeit Eurer Herrschaft schüren. Zeigt allen, dass
Ihr
der neue Herr auf dem Burgberg seid, nicht dieser Kittlitz!«
»Ich habe mich schon einmal als Herrscher feiern lassen, und das war eine einzige Niederlage«, widersprach Albrecht unwirsch. »Die Anhänger meines Vaters haben bei seiner Rückkehr Spottlieder über mich gesungen! Bevor ich es diesmal tue, will ich erst durch den König belehnt sein.«
»Gut«, lenkte Elmar sofort ein. »Reiten wir zum Hoftag nach Frankfurt und erledigen das, wie es der Brauch will. Aber zuvor müsst Ihr Eure Mutter fortschicken und die Ritter an Euch binden. Sonst könnt Ihr nicht fort, ohne alles zu gefährden. Eure Gegner lauern überall!«
Albrecht machte eine abwehrende Handbewegung, schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Wand. Elmar beobachtete ihn genau. Der Jüngere schlief nicht etwa, sondern schien mit einem Entschluss zu ringen.
Beunruhigt sah der Truchsess, wie ein Schaudern durch Albrechts Körper ging. Endlich schlug der Fürst die Augen wieder auf, sein Blick war verstört.
»Erinnert Ihr Euch … vor zehn Jahren, als mich diese Höllenfratzen verfolgten?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Sie sind … wieder da! Sie folgen mir Tag und Nacht … und sagen mir, dass ich verdammt bin … verdammt bis in alle Ewigkeit!«
Elmar begriff sofort, wovon Albrecht redete.
»Habt Ihr etwa wieder von dem Pulver genommen?«, fragte er höchst beunruhigt. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war ein Erbe, der sich mit giftigem Kraut den Verstand zerstörte und unter Wahnvorstellungen litt.
Er war damals der Einzige gewesen, der wusste, warum Ottos Sohn immer wieder von Alpträumen geplagt aus dem Schlaf fuhr – er und diese lästige Marthe, die erklärt hatte, das käme vom Bilsenkraut, das der junge Herr überreichlich zu sich genommen habe. Es machte einen schneller bei der Jagd und stärkte die Manneskraft. Aber es hatte ihm auch diese Wahnvorstellungen beschert. Auf Elmars Befehl hatte Marthe Schlaftränke gemischt, um die Alpträume zu vertreiben.
»Nein …«, sagte Albrecht zur unendlichen Erleichterung seines engsten Beraters. Doch die nächsten Worte ließen dessen Erleichterung
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