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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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allein!«, beschwor er sie. »Wir sind nicht allein. Du sagst, du bist müde. Der Müde soll ruhen, nicht fortziehen. Leg dich jetzt schlafen!«
    Mühsam erwiderte sie sein Lächeln. »Verzeih meine Launen. Ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist.«
    Sie wollte sich mit gespielter Geschäftigkeit seinem Griff entziehen.
    Doch Lukas hielt sie weiter fest. »Liebste!«, flüsterte er. »Ich weiß, dass es nicht nur Launen sind. Du hast allen Grund, dich zu fürchten. Und wer ohne Angst und Zweifel ist, bevor er in den Kampf zieht, der muss ein Narr sein. Aber noch ist Albrecht nicht Markgraf. Vielleicht erfüllt sich mit Gottes Hilfe sogar Christians Hoffnung, dass Dietrich einmal über die Mark herrscht.
Noch
ist es nicht so weit, dass wir fliehen müssen. Und wir können dank unseres Standes die Menschen in der Stadt schützen. Hast du vorhin nicht selbst gesagt, dass sie Hilfe brauchen? Ich habe es geschworen. Und du selbst würdest dir doch Feigheit nie vergeben …«
     
    Es klopfte, bevor Marthe etwas entgegnen konnte.
    Unwillig sah Lukas zur Tür. Aber ohne triftigen Grund würde niemand es wagen, sie zu stören. Er wartete einen Moment, damit Marthe sich sammeln konnte, dann löste er sich von ihr und rief: »Herein!«
    Die Tür wurde geöffnet, und zu ihrer beider Überraschung trat jener hochfahrend blickende Ritter ein, der bei der Beratung des Burgvogtes dabei gewesen war und kein Wort gesprochen hatte. Er war nur wenig jünger als Lukas, Anfang dreißig, breitschultrig und groß gewachsen. Glattes, beinahe schwarzes Haar reichte ihm bis auf die Schultern, doch im Gegensatz zu Lukas trug er keinen Bart. Seine Haltung, seine kostbare Kleidung und seine Waffen zeigten unverkennbar an, dass er aus einem alteingesessenen und wohlhabenden Geschlecht stammte. Sein Gesicht war verschlossen, ohne den geringsten Anflug eines Lächelns.
    »Ein dienstlicher Besuch?«, erkundigte sich Lukas mit hochgezogenen Augenbrauen angesichts des unerwarteten Gastes. »Gibt es schlechte Nachricht?«
    »Nein«, entgegnete der andere, ohne seinen Gesichtsausdruck zu ändern. »Allerdings ist die Angelegenheit durchaus ernst …«
    Er holte tief Luft und sank vor Lukas und Marthe auf ein Knie. »Ich möchte dich um die Hand deiner Stieftochter bitten. Und Euch, Marthe, um Euren Segen. Ich würde Clara … Eure Tochter … gern zur Frau nehmen …«
    Verblüfft starrte Lukas auf den abendlichen Besucher.
    Reinhard hatte seit dem frühen Tod seiner ersten Frau keine andere mehr angesehen.
    Also hatte er insgeheim ein Auge auf Clara geworfen?
    Lukas war so erleichtert über diese Wendung der Dinge, dass er am liebsten sofort zugesagt hätte. Es wurde höchste Zeit, das Mädchen zu verheiraten; seit längerem schon zergrübelte er sich den Kopf darüber, wem er Marthes Tochter anvertrauen konnte.
    Einen Haken hatte die Sache allerdings. Genau genommen zwei.
    Er stand auf und schenkte sich, der auffallend still gebliebenen Marthe und dem Gast Wein ein.
    »Damit wirst du deine Rolle auf der Burg aufgeben müssen«, brachte Lukas eine seiner beiden Sorgen auf den Punkt.
    »Nicht unbedingt«, warf Reinhard ein und nahm dankend den Becher entgegen. »Das böte ihr sogar zusätzlichen Schutz für den Fall, dass der Wind in der Mark Meißen dreht. Die Frage ist nur …«
    Er wandte sich zu Marthe. »Die Frage ist, ob Clara mich nicht deshalb hasst …«
    Nun blickte auch Lukas leicht angespannt zu seiner Frau. Wenngleich er als Claras Stiefvater und Vormund sofort über die Hochzeit entscheiden und die Brautgabe aushandeln könnte – er würde es nicht ohne das Einverständnis ihrer Mutter tun. Und dies war seine zweite Sorge.
    Dass Marthe immer noch schwieg, war kein gutes Zeichen.
     
    Schon als Reinhard mit feierlicher Miene vor ihnen niederkniete, erkannte Marthe, was nun kommen würde. Sie hatte Mühe, sich nichts von dem anmerken zu lassen, was ihr durch den Kopf wirbelte: Gedanken und Bilder, schreckliche Erinnerungen …
    Wie einst, als sie kaum vierzehn war, Randolf und seine Kumpane über sie hergefallen waren … wie sie wenig später zur Hochzeit mit einem alten Witwer gezwungen worden war … all die schlimmen Erfahrungen, die sie mit Männern durchleben musste, bis Christian ihr seine Liebe schenkte und das Grauen von ihr nahm.
    Kein Mädchen sollte so etwas durchleiden müssen, schon gar nicht ihre Tochter. Sie wollte, dass Clara einem Mann zur Frau gegeben wurde, den sie liebte. Doch bisher hatte das

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