Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
Neugeborene schon, obwohl er nie geglaubt hätte, dass ein Menschlein so klein sein konnte. Aber es halten? So etwas Zerbrechliches? Mit seinen schwieligen Händen, die viel eher daran gewöhnt waren, mit Schwert und Schild umzugehen?
    »Keine Sorge. So, Ihr müsst das Köpfchen stützen …« Vorsichtig ließ Johanna das Neugeborene auf seinen Arm gleiten, und bevor Daniel etwas sagen konnte, war sie schon fort, und er stand allein mit dem Kind da.
    Ein Mädchen, hatte Johanna gesagt. Seine Nichte. Du hast dich wirklich schwer auf diese Welt kämpfen müssen, dachte er. Und du hast eine tapfere Mutter. Ich bete, dass dir einmal mehr Glück beschieden sein wird. Und Gott uns an einen Ort führt, wo ihr in Sicherheit seid.
     
    Als Clara vom Bächlein zurückkam und in frischen, trockenen Kleidern wieder einigermaßen durchgewärmt war, legte sie ihr Töchterchen zum ersten Mal an.
    Dann schliefen beide, Mutter und Kind, unter dem Schutz eines dicken Umhangs und behütet von den anderen.
    Es blieb still im Wald – so still es in einem Wald sein konnte. Keine Menschenseele verirrte sich hierher. Es war noch zu früh im Jahr, als dass jemand hier Pilze, Beeren oder Honig suchen könnte.
    Clara war es, die nach kurzem, erschöpftem Schlaf das Unvermeidliche aussprach. »Wir müssen weiter.«
    »Aber wohin willst du – so schwach?«, widersprach Daniel, immer noch bewegt von dem Moment, in dem er seine kleine Nichte auf dem Arm gehalten hatte, und voller Sorge um seine Schwester.
    »Wir reiten Richtung Muldental, so schnell es unter diesen Umständen geht. Wir müssen eben öfter eine Pause einlegen. Aber wir brauchen einen Priester, der das Kind tauft. Raimund und Elisabeth haben ein Versteck, wo ich vorerst mit der Kleinen bleiben kann. Mutter hat mir davon erzählt. Einer von euch Männern muss vorreiten und nachsehen, ob uns dort niemand auflauert. Dann kehrt ihr drei zurück nach Freiberg.« Das galt Kuno, Bertram und Johanna. »Sagt, dass Johanna zu einer Geburt auswärts gerufen wurde. Das ist ja nicht einmal gelogen.«
    »Du wirst nicht lange bei Raimund sicher sein«, gab Daniel zu bedenken.
    »Ich weiß – und du auch nicht. Wir bleiben dort nur ein paar Tage. Dann reiten wir weiter nach Weißenfels.«
    »Weißenfels?« Verblüfft starrte Daniel seine Schwester an.
    »Ja. Graf Dietrich hat mir vor seinem Aufbruch ins Heilige Land angeboten, dort Zuflucht zu suchen, falls ich in Gefahr bin.«
    Sie nestelte etwas aus ihrem Almosenbeutel, etwas Kleines, in Leinen eingewickelt. Als sie das Stoffstückchen auseinanderschlug, erkannte Daniel einen silbernen Ring mit dem meißnischen Löwen und einem verschlungenen »D«.
    »Seine Männer, die in Weißenfels geblieben sind, haben Anweisung, mir jeden Schutz zukommen zu lassen, wenn ich das vorzeige. Dort sind wir sicher.«
    Das Neugeborene wimmerte leise, und rasch nahm Clara es hoch und legte es an ihre Brust. Verblüfft sah Daniel zu, wie das kleine Wesen mit seinen Lippen suchte und dann mit schmatzenden Geräuschen zu saugen begann, während seine winzigen Fäuste durch die Luft zuckten.
    »Wie soll meine Nichte eigentlich heißen?«, fragte er, nur um etwas zu sagen.
    Claras Gesicht verdüsterte sich, ihr Blick verlor sich irgendwo in der Ferne.
    »Es war Reinhards Wunsch, dass ich sie nach seiner Mutter nenne. Dieser Name wird in seiner Familie schon seit vielen Generationen weitergegeben. Sie soll Änne heißen.«

Glühende Eisen
    G ott steh mir bei, dachte Lukas, als er die Schritte nahen hörte und jemand vor der Tür befahl: »Zwei von euch kommen mit rein!«
    Also stehen mindestens vier Wachen vor der Tür. Ich darf mich geschmeichelt fühlen über so viel Aufmerksamkeit. Dieser zynische Gedanke war lediglich ein zum Scheitern verurteilter Versuch, nicht daran zu denken, was ihm jetzt bevorstehen mochte.
    Er fragte sich, wie lange er wohl noch durchhalten würde. Er hing an den Handgelenken von der Kerkerdecke, an seine gefesselten Füße war ein zwanzig Pfund schweres steinernes Gewicht gebunden. Ihm war zumute, als würde sein Leib gleich zerreißen, jeden Augenblick konnten ihm die Schultergelenke auseinanderspringen. Ganz zu schweigen von dem unsäglichen Schmerz in den Fingern und den brennenden Striemen auf Brust und Rücken.
    Er wusste, dass Christian einst in Randolfs Verlies ähnliche Folter erleiden musste – es waren die üblichen Methoden. Und auch Randolf hatte es darauf angelegt, seinen Gefangenen nicht sterben zu lassen, damit er

Weitere Kostenlose Bücher