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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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niederzukämpfen, auch wenn er sich dafür feige schalt. Er hatte keine Waffe außer Guntrams Dolch und wusste nicht einmal, wo seine Frau war. Außerdem sollte er Gott und Gerald dafür danken, dass er entgegen allen Erwartungen bis jetzt überlebt hatte, und sein Glück nicht noch mehr herausfordern.
    In dieser Sache musste er auf Hartmut und Gerald vertrauen – und darauf, in ein paar Tagen mit Verstärkung und einem gut durchdachten Plan zurückzukommen.
    Seine verletzte Hand brannte vor Schmerz, als er sich an dem Seil herabließ. Doch die Verzweiflung brannte noch tiefer in ihm. Ich lasse sie im Stich, dachte er. Ich trage die Schuld daran, dass sie überhaupt erst in diese furchtbare Lage gekommen ist. Und nun mache ich mich feige aus dem Staub.
    Halte durch, Liebste, bis ich etwas für dich tun kann – außer für dich zu sterben!
    Das war der einzige Gedanke, der ihn durch die Nacht trieb, Richtung Freiberg.

Marthes Verhör
    Z usammengekauert, die Arme um die Knie geschlungen, hockte Marthe in ihrem Verlies und zitterte vor Kälte. Als sie hineingestoßen wurde, hatte sie Eiskristalle an den Wänden glitzern sehen. Es war immer noch März, in den Nächten herrschte Frost, und sie hatte nichts weiter an als das Untergewand aus Leinen und den dünnen Bliaut.
    Beinahe glaubte sie, dass sie hier eher erfrieren würde, als umgebracht oder gefoltert zu werden. Doch so lange würde Albrecht nicht warten.
    Den ersten Angriff hatte sie noch abwehren können; vorerst hatte es keiner von den Kerlen gewagt, sie auf den Boden zu stoßen und zu schänden wie früher Randolf und seine Kumpane. Die Wachen waren zu sehr daran gewöhnt, in ihr die Frau eines geachteten Ritters zu sehen, und sie fürchteten sich vor dem Fluch.
    Doch das würde nicht ewig anhalten. Albrecht und Elmar würden rasch einen Weg finden, sie schnell und endgültig zu brechen. Sie ließen sie jetzt nur allein, damit sie sich in der Dunkelheit und Kälte des Verlieses in düstersten Farben ausmalte, welche Qualen Lukas durchlitt.
    Halte durch, Liebster!, versuchte sie, ihn in Gedanken zu beschwören. Tränen stiegen ihr auf, weil sie die Bilder einfach nicht zurückdrängen konnte: wie er getobt hatte, dass drei Männer ihn festhalten mussten, als sie fortgeführt worden war, wie er geschrien hatte, sie solle schweigen.
    Ihr Entsetzen über Reinhards jähen Tod war zu groß gewesen. Dann zu sehen, wie schon die Klinge für Lukas’ Hinrichtung gezogen wurde – sie hätte das nicht auch noch still ertragen können. Sie musste einfach vortreten und diese Sünde auf sich nehmen, auch wenn sie dafür verdammt würde.
    Halte durch, Liebster!, betete sie wieder und wieder. Du kommst da lebend raus, ich weiß es. Auch wenn du mir nicht verzeihen kannst, weil du meinetwegen die Folter erleiden musst, und wütend darüber bist, dass ich einen Teil von Albrechts Zorn auf mich genommen habe.
    Aber ich weiß, was du nicht glauben kannst: dass wir das hier nur überleben, wenn wir uns dieses Leid teilen, es gemeinsam ertragen.
    Spätestens morgen früh würde man sie hier herauszerren und zusehen lassen, wie Lukas gefoltert wurde. Sie würde das nicht lange aushalten. Aber vielleicht zeigte Gott ja Erbarmen und ließ sie hier erfrieren.
    Mittlerweile schlugen ihre Zähne so laut aufeinander, dass sie nichts mehr von dem hörte, was auf dem Gang geschah. Erst ein jäher, schmaler Lichtschein ließ sie den Kopf heben. Eine kleine Gestalt huschte für ein paar Augenblicke herein und drückte ihr eine Schüssel in die Hand. Suppe, lauwarm und dünn, aber sie kam ihr köstlich vor wie lange keine Mahlzeit. Gierig trank sie davon und versuchte, jedes bisschen Wärme der Schale mit ihren Händen aufzunehmen.
    Doch es hielt nicht lange vor. Bald wurde sie erneut vor Kälte geschüttelt, und die immer schlimmer werdenden Schreckensbilder von Lukas’ Qual raubten ihr das letzte bisschen Lebenswillen.
    Noch einmal ging die Tür auf, die schmale Gestalt trat ein, stellte eine Kerze auf einem Mauervorsprung ab und holte die Schale zurück.
    Wie unabsichtlich vergessen, blieb die Kerze im Verlies.
    Zitternd vor Kälte stand Marthe auf, holte sich das Licht und setzte es auf den kalten Boden. Dann kauerte sie sich wieder hin und hielt die Hände darüber, als könnte diese kleine Flamme sie wirklich wärmen.
    So saß sie, bis der Stummel niedergebrannt war und erneut völlige Finsternis sie umschloss.
     
    Marthe hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie viel Zeit

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