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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zufielen.
    Schreckensrufe von hinten rissen ihn aus dem Dämmerzustand.
    »Halt! Kehrt um!«, brüllten wild gestikulierend zwei ranghohe Männer aus dem Gefolge Bischof Martins, die als Letzte der Gruppe ritten.
    Verwundert drehte sich Thomas um und sah, dass irgendetwas mit der Nachhut nicht stimmte. Statt weiterzuziehen, ballten sich dort die Männer zu einem Haufen und benahmen sich sonderbar.
    Dietrich gab seinen Leuten das Zeichen, zu wenden. So schnell es ging, ritten sie zurück, auf die Menschenansammlung am Ufer zu.
     
    Ein Satz scholl ihnen von allen Seiten entgegen, der einfach nicht in Thomas’ Kopf wollte.
    »Der Kaiser ist tot!«
    Sie saßen ab, Graf Dietrich wies seine Männer an, zu warten, und bahnte sich den Weg durch die Menge, zum Zentrum des Aufruhrs.
    »Der Kaiser ist tot!«
    »Die Strömung riss ihn fort!«
    »Der Schlag hat ihn getroffen!«
    »Er ist im Fluss ertrunken!«
    Niemand schien genau zu wissen, was passiert war – nur der Ausgang blieb gleich. Der Kaiser war tot.
    Thomas’ Verstand weigerte sich, das zu begreifen.
    Friedrich von Staufen, der größte Herrscher der christlichen Welt, der Heerführer, der vor ein paar Tagen noch seine Streitmacht siegreich in eine aussichtslos scheinende Schlacht geführt hatte … der erhaben über die Mühsal des Weges allen Widernissen trotzte …
    Die Männer um ihn herum schienen ähnlich zu denken. Der Kaiser konnte nicht tot sein! Undenkbar. Das würde Gott nicht zulassen!
    Doch dann – wellenartig – wogte der Satz ein zweites Mal auf sie zu, wie zur Bestätigung des Unfassbaren.
    »Der Kaiser ist tot!«
    Einer nach dem anderen sanken sie auf die Knie, manche bekreuzigten sich, manche beteten, viele weinten, während Thomas dastand, wie zu Stein erstarrt, und wartete, dass endlich jemand das schreckliche Gerücht als unwahr zurückwies, den Irrtum aufklärte.
    Ein halber Tag oder eine halbe Unendlichkeit musste vergangen sein, als Graf Dietrich wiederkam und den Männern, die voll verzweifelter Hoffnung zu ihm aufsahen, mit dumpfer Stimme das Unfassbare betätigte.
    »Der Kaiser ist tot.«
     
    Entsetztes Schweigen legte sich über die Wartenden.
    »Das Kommando übernimmt ab sofort der Herzog von Schwaben«, rief Dietrich von Weißenfels, dessen Stimme ungewohnt heiser klang. »Wir halten vier Tage Trauer, dann führen wir den Leichnam seines Vaters nach Antiochia, um die fleischliche Hülle feierlich beizusetzen. Die Gebeine bringen wir nach Jerusalem.«
    Waren es diese Einzelheiten, die den Fassungslosen endlich bewusst machten, dass die Schreckensnachricht kein Irrtum, keine Lüge war?
    »Gott hat uns verlassen!«, schrie von hinten jemand mit sich überschlagender Stimme. »Er hat uns verlassen! Unsere Sünden sind zu furchtbar, und deshalb will Gott nicht, dass wir nach Jerusalem ziehen!«
    »Wir sind verloren. Gott hat uns verlassen!«
    Bald erklang dieser Ruf vielfach: wehklagend, anklagend, verzweifelt, jeder Hoffnung beraubt.
    Dicht neben dem ersten Rufer erhob sich ein Ritter von hünenhafter Gestalt.
    »Der Kriegszug ist zu Ende. Wir reiten nach Hause«, sagte er mit tiefer Stimme über die Menge hinweg.
    Ein paar Männer in seiner Nähe nickten zustimmend und standen ebenfalls auf.
    »Ihr habt einen Eid geschworen!«, rief ihnen Dietrich zornig entgegen. »Einen heiligen Eid, Jerusalem und das Kreuz, an dem unser Erlöser gestorben ist, für die Christenheit zurückzuerobern!«
    »Wir haben dem Kaiser einen Eid geschworen, ihn auf einem Kriegszug zu begleiten. Als seine Lehnsmänner. Nun ist der Kaiser tot. Und der Eid hinfällig«, erklärte der Hüne.
    »Er hat recht. Die Sache ist verloren ohne Heerführer«, stimmte ein Mann mit grauem Bart und weißem Haupthaar zu, der neben dem Recken stand.
    »Wir haben einen Heerführer – Friedrich von Schwaben!«, beharrte Dietrich ungewohnt schroff.
    »Ein Jüngling von dreiundzwanzig Jahren, ohne die Erfahrung, die man braucht, um ein Heer siegreich in die Schlacht zu führen!«, widersprach der Graubärtige, und seine Worte klangen eher verbittert als abfällig.
    »Er ist der Sohn seines Vaters, des Kaisers, und er hat in den letzten Monaten mehr als einmal seinen Mut und sein Kampfgeschick bewiesen!«
    Dietrich schrie diese Worte heraus. Noch nie hatte Thomas ihn so aufgebracht und fassungslos gesehen. Friedrich und Dietrich, beide im Rat der Sechzig, unterschieden sich im Alter nur durch wenige Jahre, sie waren beide nachgeborene Söhne und dachten in vielen Dingen

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