Der Fluch der Hebamme
weder Hartmut noch Gerald anlasten konnte. Und mir auch nicht, obwohl er es versucht hat. Sie haben mich einen halben Tag lang ziemlich gründlich vorgenommen. Aber in den kurzen Pausen zwischen den Schlägen konnte ich ihnen klarmachen, dass ich keinen Schritt unbeobachtet auf dem Burgberg zurückgelegt hatte und immer in achtbarer Gesellschaft war – oder dem, was sie darunter verstehen. Hartmut hatte mir ein Zeichen gegeben, mich aus der Sache rauszuhalten, weil ich zu genau beobachtet würde. Obwohl ich mir wirklich den Kopf zerbrochen hatte, wie ich euch da raushauen kann. Er hat mich überrascht, ich hatte ihn für einen treuen Anhänger Albrechts gehalten. Gott erbarme sich seiner Seele!«
Raimund bekreuzigte sich, und beklommen sah Lukas in der Dunkelheit der halb verfallenen Hütte zu seinem Freund. Also hatte auch Raimund seinetwegen Folter erleiden müssen.
»Haben sie dir sehr übel mitgespielt?«, fragte er schuldbewusst.
Der Freund antwortete mit einem halbherzigen Lächeln. »Dank Elisabeths Fürsorge kann ich mich wieder halbwegs bewegen wie ein richtiger Mann. Ich denke, in ein paar Wochen führe ich auch wieder das Schwert wie früher.«
Er schob seinen Ärmel ein Stück zurück, und jetzt erst sah Lukas, dass sein Arm verbunden war.
»Elmar war dabei, und als er einsehen musste, dass er mir nichts anhängen kann, ließ er die Sache beenden. Ihm ist klar, dass er nicht alle seine Ritter hinrichten oder totprügeln kann. Das würde auch seine treuesten Anhänger darüber nachdenken lassen, ob sie nicht lieber das Weite suchen. Jedenfalls scheint Albrecht überzeugt davon, dass deine Frau tatsächlich über Zauberkräfte verfügt, und das macht ihm heftig zu schaffen.«
Nun mischte sich Elisabeth in ihr Gespräch ein. »Kommt heraus aus dieser dunklen Hütte. Ich will mir Lukas’ Verletzungen ansehen, solange noch Tageslicht herrscht.«
Widerspruchslos erhoben sich die Männer und folgten ihr nach draußen auf die kleine Lichtung. Lukas biss die Zähne zusammen, während sie ihm das festgeklebte Untergewand behutsam von den Wunden zupfte. Elisabeth zog scharf die Luft ein, als sie die Verletzungen begutachtete. »Bei allen Heiligen … Höchste Zeit, dass sich jemand darum kümmert«, sagte sie und musste die Tränen zurückhalten.
Lukas wollte ihr Mitleid nicht, er verdiente es seiner Meinung nach nicht. Er hätte es als angemessener empfunden, wenn sie ihm Vorwürfe gemacht hätte, dass auch ihr Mann seinetwegen hatte leiden müssen.
»Was ist mit Gerald?«, fragte er, um das Gespräch von sich abzulenken.
»Er bleibt Marschall. Aber er wird wohl in nächster Zeit ein paar sehr unangenehme Aufträge übernehmen müssen, um Albrecht seine vollständige Ergebenheit zu beweisen. Und ich denke, die wird er ausführen, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch was hast du nun vor? Wirst du auch nach Weißenfels gehen?«
»Er bleibt hier, bis seine Wunden verheilt sind«, antwortete Elisabeth streng an Lukas’ Stelle. Ihr Tonfall erinnerte ihn schmerzlich an Marthe, wenn sie einen ungeduldigen Kranken zu versorgen hatte.
»Mittlerweile haben wir hier nach und nach schon deine ganze Familie versteckt: Erst Thomas, dann Clara und Daniel, und jetzt dich. Das ist der sicherste Ort für dich.«
Lukas war ihr dankbar, dass sie nicht erwähnte, wie sie einst auch Christian hier verborgen hatten, als er nach seiner Befreiung aus Randolfs Kerker von Marthe gesund gepflegt worden war.
»Ich kann jetzt die Mark nicht verlassen«, sagte er in entschlossenem Tonfall. »Ich muss weiter, nach Marthe suchen – überall, wo sie auftauchen könnte. Vielleicht bei Hedwig in Seußlitz oder bei meinem Bruder. Und wenn sie euch keine Nachricht schickt, dann vielleicht den Freibergern. Guntram, der Sohn des Schmiedes, geht zurück auf den Burgberg und wird dort Augen und Ohren aufsperren. Und Pater Hilbert will in Meißen Anstellung als Schreiber suchen. Vielleicht bringen sie etwas in Erfahrung. Außerdem droht ja noch Albrechts Beutezug gegen Freiberg. Vielleicht kann ich etwas dagegen unternehmen.«
Er zuckte zusammen, weil die Salbe, die ihm Elisabeth auf die Wunden strich, wie Feuer brannte. Doch bald verspürte er Linderung und war froh, als er seine Kleider endlich wieder überstreifen konnte.
»Das kannst du nicht!«, mahnte Raimund ihn. »Es war außerdem auch nur ein Vorwand, um dich dazu zu bringen, einen Befehl zu verweigern. Du solltest vorerst hierbleiben. Wir können jemanden an alle diese Orte
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